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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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erzählt, der Streifendienst käm immer die Venloer runter, dann über den Neptunplatz, die Vogelsanger entlang zum Grünerweg, zum Bahnhof und über die Subbelrather zurück in die Stadt. Wir haben uns hinterm Bahnhof auf die Lauer gelegt und auf sie gewartet. Da ist nicht viel los um die Zeit, und es gibt ’n paar Büsche, in denen man sich verstecken kann.
    Bald haben wir das Knallen ihrer Stiefel gehört, dann sind sie dagewesen. Direkt vor uns sind sie stehengeblieben, um sich Zigaretten anzustecken. Auf die Gelegenheit haben wir nur gewartet und sind über sie hergefallen. Sie waren total überrumpelt. Hatten natürlich nicht damit gerechnet, dass einer es wagt, sie anzugreifen, obwohl sie jetzt die Schlagstöcke haben. Aber sie sind gar nicht dazu gekommen, die zu ziehen, so schnell sind Flint und Kralle und der Lange auf sie drauf.
    Tom und ich, wir sind hinterhergesprungen, und im nächsten Moment waren wir mittendrin im Getümmel. Ich hab mich erst nicht getraut, richtig mitzumachen, aber dann hat mir einer von den Streifendienstlern eins übergebraten, und da bin ich wütend geworden und hab zurückgeschlagen. Und dann hat die Sache ihren Lauf genommen. Wir haben getan, was wir konnten, Tom und ich, aber die Hauptarbeit haben Flint und Kralle erledigt. Kralle stand da wie ein Fels in der Brandung, immer an der gleichen Stelle, und hat einen gewaltigen Schlag nach dem anderen ausgeteilt. Und Flint ist rumgelaufen und hat die Streifendienstler angefallen wie ’n Wolf – so lange, bis keiner von ihnen mehr auf den Beinen stand.
    Dann sind wir abgehauen. Tom hatte am meisten von uns abgekriegt, war ziemlich am Bluten. Wir anderen hatten nur ein
paar Beulen und der Lange ein blaues Auge, aber es war nichts Ernstes. Wir sind Arm in Arm durch die Straßen gelaufen und haben lauthals unsere Lieder gesungen. »An Rhein und Ruhr marschieren wir, für uns’re Freiheit kämpfen wir. Den Streifendienst, schlagt ihn entzwei, Edelweiß marschiert – Achtung, die Straße frei!«
    Überall sind die Lichter angegangen. Die Leute haben die Fenster aufgerissen und geschimpft, wir sollen gefälligst nicht so ’n Lärm machen. Aber das hat uns nicht interessiert, wir haben weitergesungen. Mann, waren wir in Hochstimmung! Vor allem Flint.
    »So, Leute«, hat er gesagt, »die Sache mit Frettchen ist gerächt. Und der Streifendienst wird sich ab jetzt zehnmal überlegen, ob er noch mal ’n Fuß nach Ehrenfeld setzt.«
    In der Nacht bin ich ein paarmal hochgeschreckt und hab die Bilder von dem Kampf wieder vor mir gesehen. Ich weiß noch, wie ich das erste Mal zugehauen hab mit diesem Schlagring. Von der Arbeit bei Ostermann bin ich ganz schön kräftig geworden im letzten Jahr, und ich hab gehört, wie’s bei dem Streifendienstler gekracht hat im Kiefer. Es läuft mir immer noch kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke. Aber was soll’s? Was die mit Frettchen gemacht haben, ist viel schlimmer. Ich glaub, die haben’s nicht besser verdient. Ja: Ich glaub, es ist unser gutes Recht, was wir getan haben.

24. April 1942
    Seit sie die Abreibung von uns gekriegt haben, hat sich der Streifendienst nicht mehr blicken lassen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach geht, aber anscheinend haben wir ihnen den Schneid abgekauft.
    »Die kommen nicht wieder«, hat Flint gestern gesagt. »Die haben genug. Und selbst wenn: Die Zeit, dass wir uns vor ihnen
verstecken, ist ein für alle Mal vorbei. Selbst wenn wir ihnen am hellen Tag auf der Straße begegnen: Na und? Was wir einmal mit ihnen gemacht haben, machen wir jederzeit wieder. Wir müssen keine Angst mehr haben, Leute!«
    Ich glaub, er hat recht. Tom und ich, wir sind jetzt 15, einige von den anderen schon 16. Wir arbeiten jeden Tag hart, deshalb können wir mit den Streifendienstlern locker mithalten. Warum sollen wir uns länger vor ihnen in die Hose machen? In den letzten Tagen haben wir oft zusammengesessen und uns überboten mit Vorschlägen, was wir mit ihnen anstellen, wenn sie sich in unserem Revier noch mal blicken lassen.
    Auch sonst nehmen wir kein Blatt mehr vor den Mund. »Heil ihn doch selbst!«, sagen wir, wenn uns auf der Straße einer mit dem »Heil Hitler!«-Gruß kommt. Und für die großen Tiere haben wir Spitznamen. »Schnäuzerchen« heißt Hitler bei uns. Goebbels ist »Hinkebein«, weil er diesen Klumpfuß hat, und Göring nennen wir »Weihnachtsbaum«, weil er sich immer mit so vielen Orden behängt. Wir sagen’s laut genug, dass es jeder

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