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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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doch ’n bisschen mulmig geworden. Ich hab gedacht: Na, wenn das mal nicht ’ne Nummer zu groß für uns ist! Die anderen hatten auch so ihre Zweifel. Aber Flint war sicher, dass es klappt, und weil Kralle und der Lange auf seiner Seite waren, haben wir schließlich beschlossen, die Sache anzugehen.
    In den Tagen danach haben wir alles vorbereitet. Die Flugblätter drucken lassen und sie in den Trümmern von ’ner alten Kirche versteckt. Dann haben wir uns, so oft wir konnten, im Hauptbahnhof rumgetrieben, um rauszukriegen, wann die beste Zeit für die Aktion ist und wo wir stehen müssen, um alles im Blick zu haben.
    Gestern ist die Sache dann gestiegen. Für das Liebespärchen hatten wir Tom und Flocke vorgesehen. Vor allem deshalb, weil sie seit ein paar Wochen wirklich eins sind. Flint hat gemeint, es hätte den Vorteil, dass sie sich nicht mal verstellen müssen. Sie könnten einfach das machen, was sie in letzter Zeit sowieso immer
tun. Er hat mich dabei angegrinst, und ich hab verstanden, was er meint. Seit Flocke sich Tom gekrallt hat, ist mit dem Kerl nämlich nichts mehr anzufangen.
    Aber dann ist Flocke am Tag vor der Sache krank geworden. Wir haben kurz überlegt, ob wir alles abblasen sollen, sind dann aber doch dabei geblieben, weil wir’s so gut vorbereitet hatten und die Flugblätter nicht länger als nötig rumliegen lassen wollten. Also hat Tilly gesagt, sie springt für Flocke ein. Tom hat gemeint, das wär schon in Ordnung, aber irgendwie hatte er doch Muffensausen, dass Flocke eifersüchtig wird, wenn er mit Tilly auf dem Bahnsteig rummacht, auch wenn’s nur gespielt ist. Deshalb hat er gefragt, ob ich’s für ihn übernehmen kann. Ich hab gesagt: Klar, warum nicht? Bevor du in dein Unglück rennst! Und so haben wir ’n neues Liebespärchen gehabt.
    Im Bahnhof haben wir uns so verteilt, wie wir’s abgesprochen hatten. Frettchen, Maja, Goethe und Tom haben sich in die vier Ecken der großen Halle gestellt. Kralle und den Langen haben wir zurückgehalten, als so ’ne Art schnelle Eingreiftruppe für alle Fälle. Tilly und ich sind in die Mitte der Halle gegangen, unter die Kuppel. Und Flint hat sich mit den Flugblättern auf den Weg gemacht, die er in ’ner alten Arbeitstasche versteckt hatte.
    An einem der Pfeiler in der Halle sind Eisensprossen – für die Handwerker, falls unterm Dach was zu reparieren ist. Die hatte Flint sich ausgesucht, um nach oben zu kommen, und damit er nicht so auffällt, hat er sich auch wie ’n Handwerker angezogen. Während er hochgestiegen ist, haben Tilly und ich angefangen, uns zu umarmen. Dabei hab ich die eine Hälfte der Halle im Blick gehabt – die, wo Tom und Goethe waren –, Tilly die andere mit Maja und Frettchen. Es ist ein Riesenbetrieb gewesen, wie immer samstags. Ständig sind Züge rein- und rausgefahren, und alles war voll mit Leuten, die hektisch durcheinander gelaufen sind und sich fast umgerannt haben.
    Wir hatten mit Flint abgemacht, dass Tilly und ich uns küssen, sobald wir sicher sind, dass die Luft rein ist. Für ihn sollte es das Zeichen sein, dass er loslegen kann oben im Gebälk. Da wir nichts Verdächtiges gesehen haben und bei denen in den Ecken auch alles ruhig war, haben wir also angefangen damit. Und dabei ist es dann passiert. Dass ich Tilly gut leiden kann, ist mir ja schon seit langem klar. Ich hab nur nie gedacht, dass sie sich auch für mich interessiert. Was aber anscheinend ein Irrtum war. Jedenfalls hat sie mich auf einmal geküsst, als wenn das Jüngste Gericht vor der Tür steht. Ich hab gar nicht mehr gewusst, wo oben und unten ist, so baff war ich. Wir haben alles um uns rum vergessen. Leider auch, dass wir versprochen hatten, auf Flint aufzupassen.
    Deshalb haben wir die Polizeistreife, die durch die Halle kam, nicht gesehen. Tom und Goethe müssen gewinkt haben wie verrückt – haben sie jedenfalls später erzählt –, aber ich hab nichts davon mitbekommen. Nur Tilly, die hat grade noch die Kurve gekriegt, weil sie irgendwie auf Frettchen aufmerksam geworden ist. Bevor ich wusste, wie’s mir geschieht, hat sie sich von mir losgerissen und angefangen zu schimpfen: Was mir einfallen würde, so über sie herzufallen? Am hellen Tag! Vor all den Leuten!
    Erst da hab ich die Polizisten gesehen. Sie sind zu uns gekommen und haben Tilly gefragt, ob ich sie belästigt hätte. Sie hat den Kopf geschüttelt und gesagt: Nein, das nicht. Ich würd nur manchmal im Eifer des Gefechts übers Ziel rausschießen, und dann

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