Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
Vom Netzwerk:
genommen hab, um den Tisch abzuputzen, hat’s wieder getropft. Ich konnte gar nicht so schnell nachkommen, wie neue Blutflecken da waren.
    Der Hässliche hat sich immer mehr reingesteigert. Von wegen, dass ich ihnen ’n neuen Tisch besorgen muss, wenn ich den hier nicht sauber mache. Der Dünne hat wieder auf ihn eingeredet. Dann hat er mir ein zweites Taschentuch gegeben, und jetzt ging’s. Ich hab das alte an die Stirn gehalten und mit dem neuen den Tisch abgewischt, bis kein Blut mehr zu sehen war.
    »Gut«, hat der Dünne gesagt. »Du machst das gut. Willst du uns jetzt was über die Flugblätter erzählen?«
    »Ich weiß aber wirklich nichts davon!«
    Der Hässliche wollte wieder loslegen, aber der Dünne hat ihn zurückgehalten.
    »Du steckst ganz schön in der Scheiße, Junge«, hat er gesagt. »Aber ich will dir helfen. Nur musst du mir dafür auch ein bisschen entgegenkommen. Sonst bin ich gezwungen, dich mit meinem Kollegen alleine zu lassen. Verstehst du?«
    »Aber es stimmt, was ich sage. Wir interessieren uns nicht für Flugblätter und so was. Gut, wir stellen manchmal Blödsinn an. Aber wir wollen nur unsern Spaß haben. Mit Politik und so haben wir nichts am Hut. Davon verstehen wir auch gar nichts.«
    Sie haben mich noch ’ne Zeit lang bearbeitet, aber jetzt war ich sicher, dass sie nichts gegen uns in der Hand haben. Sonst wären sie längst damit rausgerückt. Also bin ich dabei geblieben, dass wir harmlos sind. Ich weiß nicht, ob sie’s am Ende geglaubt haben oder nur nicht mehr wussten, was sie tun sollen. Jedenfalls haben sie mich laufen lassen. Vorher haben sie noch gesagt, dass es beim nächsten Mal nicht so glimpflich abgeht. Dann behalten sie mich da und drehen mich durch die Mangel oder stecken mich in ein
Wehrertüchtigungslager oder überlegen sich sonst was. Jedenfalls soll ich mich bloß nie wieder bei ihnen blicken lassen.
    Ich hab natürlich gesehen, dass ich so schnell wie möglich da wegkomme. Dann hab ich mich irgendwie nach Hause geschleppt und erst mal meine Wunden geleckt.
    Heute hab ich die anderen getroffen. Alle hatten so ziemlich das Gleiche erlebt wie ich. Außer dass ihnen der Dünne erzählt hat, ich hätte schon alles gestanden, und deswegen hätte es keinen Zweck mehr zu leugnen. Aber darauf ist glücklicherweise keiner reingefallen. Keiner hat was erzählt, alle haben sich dumm gestellt. Wie’s aussieht, sind wir grade noch mal mit dem Schrecken und ein paar Beulen davongekommen.
    Die Stimmung ist natürlich mies. Unsere Pfingstfahrt hatten wir uns anders vorgestellt. Jetzt sind wir nicht mal mehr am Felsensee sicher. Und außerdem haben wir in Zukunft wahrscheinlich jedes Mal, wenn in Ehrenfeld was passiert, die Gestapo am Hals. Nicht grade rosige Aussichten!
    Aber es gibt noch was anderes, das mir im Magen liegt. Als sie mich im EL-DE-Haus zum Verhör geführt haben, bin ich an ’ner Treppe vorbeigekommen, die in den Keller geht. Und von da unten hab ich was gehört. Schreckliche Schreie, wie von Tieren.
    Nur: Es waren keine Tiere. Es waren Menschen, die da geschrien haben.

29. Juni 1943
    Nachdem das mit der Gestapo passiert ist, haben wir erst mal ’ne Zeit lang die Köpfe eingezogen. Obwohl’s keiner von uns zugeben würde, hat uns die Sache ganz schön eingeschüchtert. Zwar ist es am Ende glimpflich ausgegangen, aber irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, dass die Folterknechte im EL-DE-Haus noch
zu ganz anderen Dingen fähig sind. Jedenfalls ist keiner von uns scharf darauf, sie wiederzusehen.
    Deshalb haben wir das mit den Flugblättern erst mal sein lassen und uns auch ’ne Weile nicht getroffen. Erst letzte Nacht waren wir wieder zusammen – allerdings eher gezwungenermaßen. Denn mitten in der Nacht sind die Sirenen losgegangen: Luftangriff. Ich hab den Koffer geschnappt, den meine Mutter für solche Fälle am Bett stehen hat. Dann hab ich sie selbst gepackt und bin mit ihr zum Takubunker. Draußen war’s fast so hell wie am Tag, von den Scheinwerfern am Himmel und von den Leuchtfallschirmen, die die Engländer abgeworfen haben. Die Flak hat losgelegt wie verrückt, überall war das Klirren der Granatsplitter in der Luft, die auf uns runterregnen. Und grade als wir zum Bunker kamen, sind die ersten Bomben gefallen.
    Meine Mutter ist rein und nach unten, während ich auf die anderen gewartet hab. Nach und nach sind sie alle gekommen. Eigentlich wollten wir draußen bleiben, wie sonst immer, aber in der Nacht war uns die Sache zu heiß. Es

Weitere Kostenlose Bücher