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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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gab’s sofort Faustschläge ins Gesicht – außer bei Tilly und Flocke, bei denen haben sie sich zurückgehalten. Dann haben sie uns Handschellen angelegt und uns abgeführt. Quer durch die Stadt, zum Appellhofplatz. Zum EL-DE-Haus.
    Als wir da ankamen, ist uns schnell klargeworden, dass es diesmal nicht so glimpflich abgeht wie letztes Jahr nach der Pfingstfahrt. Die SS-Leute haben uns richtig reingeprügelt und durch den Flur getrieben, bis wir zu der Treppe kamen, die in den Keller geht. Da haben sie uns einen nach dem andern runtergestoßen. Ob wir uns dabei sämtliche Knochen brechen, war ihnen egal.
    Ich weiß noch, dass ich ein paarmal ordentlich mit dem Kopf gegen die Wand geknallt bin. Als ich unten lag, war ich ziemlich benommen. Irgendwer hat mich gepackt und hochgerissen. Es war düster, ich konnte nicht viel sehen, nur dass der Kerl mich durch ’n schmalen Gang geschleift hat, von dem auf beiden Seiten Türen abgingen. Eine davon hat er aufgemacht, mich durchgestoßen und die Tür von außen wieder verriegelt.
    Ich bin auf die Knie gefallen, und es hat ’ne Zeit gedauert, bis ich wieder halbwegs bei mir war. Das Erste, was mir auffiel, war der Gestank. Es roch stechend nach Pisse und faulig zugleich, und ich hatte sofort ’n ekelhaften Brechreiz in der Kehle. Dann hab ich gesehen, dass ich in ’ner winzigen Zelle gelandet bin, die kaum größer war als vielleicht zwei mal vier Meter. Sie hat ein vergittertes Fenster oben in der Ecke gehabt, und obwohl sie so klein war, sind bestimmt ein Dutzend Männer drin gewesen, die alle an den Wänden lehnten.
    Zwei von ihnen sind zu mir gekommen und haben mir hochgeholfen. Bevor ich was sagen konnte, ist die Tür erneut aufgegangen, und der Nächste wurde reingeschubst. Es war Tom. Ich hab ihn aufgefangen. Zum Glück haben die beiden Männer uns gehalten, sonst wären wir wieder am Boden gelandet.
    »Gerle!«, hat Tom gesagt, als er mich erkannt hat. »Scheiße, Mann! Was machen die mit uns?«
    »Wüsst ich auch gerne. Wo sind die anderen?«
    »Irgendwo hier unten. Hab sie aus ’n Augen verloren. Vielleicht in ’ner anderen Zelle.«
    Ich hab kurz gehorcht, ob was zu hören ist, dann hab ich leise gerufen: »Flint?«
    Alles ist ruhig geblieben. Deshalb hab ich’s noch mal probiert, jetzt lauter: »FLINT!«
    Diesmal kam Antwort. Wie’s schien, aus der Zelle gleich neben uns. »Gerle? Bist du’s? Wir sind hier, Mann. Kralle und ich. Alles in Ordnung bei dir?«
    »Geht schon. Tom ist auch hier. Wir …«
    Aber bevor ich weitersprechen konnte, ist die Tür aufgeflogen, und der Kerl, der uns hergeschleppt hatte, kam rein. Er hat sich kurz umgesehen, dann ist er wahllos zu dem Ersten, der an der Wand stand, hin und hat ihm mit aller Kraft die Faust ins Gesicht geschlagen. Der Mann ist sofort zusammengebrochen. Gleich drauf ist der Schläger wieder verschwunden. Wir konnten hören, wie er unsere Tür abschließt und die nächste Zelle aufsperrt – die, in der Flint und Kralle saßen. Dann ist da genau das Gleiche passiert.
    »Verfluchter Idiot!«, hat einer der Männer, die uns geholfen hatten, mir ins Ohr gezischt. »Halt gefälligst deinen Schnabel!«
    Dann hat er Tom und mich zum Fenster gezogen und uns angesehen. »Schweine!«, hat er gemurmelt. »Jetzt buchten sie schon Kinder ein.«
    »Was wollen die von uns?«, hat Tom gefragt.
    »Weiß ich doch nicht, Junge. Wart’s ab.«
    »Und du? Weshalb haben sie dich geholt?«
    Der Mann hat mit den Schultern gezuckt. »Weil irgendwer was Falsches über mich erzählt hat, schätz ich. Jedenfalls hab ich nix Unrechtes getan.«
    »Seit wann bist du denn hier?«
    »Ewig. Vier Wochen oder so.«
    »Vier Wochen? Verdammte Scheiße!« Tom hat auf die anderen gezeigt. »Die etwa auch?«
    Der Mann hat ’ne abwehrende Handbewegung gemacht. »Ihr
stellt zu viele Fragen, Jungs. Darauf steht man hier unten nicht. Merkt euch nur eins: Hier sind
alle unschuldig
. Kapiert?«
    So, wie er’s betont und uns angesehen hat, war’s nicht schwer zu verstehen. Anscheinend gab’s Spitzel, die in die Zellen eingeschleust wurden, und er wollte uns warnen, keinem zu vertrauen und ja nichts über uns zu erzählen. Also haben wir die Klappe gehalten und sind still gewesen.
    Für ’ne Zeit haben alle schweigend dagestanden. Dann haben wir gehört, wie der Wärter – der, wie wir später erfahren haben, von allen nur »Kellerassel« genannt wurde – über den Gang kam. Dabei hat er mit seinem Stock gegen jede Zellentür geschlagen, immer

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