Edelweißpiraten
haben sich mit dem Langen in Verbindung gesetzt. Wie genau, weiß ich nicht. Vielleicht kannten sie seinen Vater, haben irgendwie von uns gehört und wollen jetzt wissen, wer wir sind und was für Pläne wir haben.
Gestern haben sich der Lange und Flint an ’nem geheimen Ort mit ihnen getroffen, um zu bereden, ob man sich gegenseitig helfen kann. Heute haben sie uns im Volksgarten erzählt, was bei der Sache rausgekommen ist.
»Sie meinten, das mit den Flugblättern und den Sprüchen an den Wänden könnten wir genauso gut bleiben lassen«, hat der Lange gesagt. »Davon würd sich keiner beeindrucken lassen. Wär Zeitverschwendung.«
»Ah! Und wenn sie so klug sind: Haben sie dir auch erzählt, was wir stattdessen machen sollen?«, hat Tom gefragt.
»Ja. Sie haben uns vorgeschlagen, wieder in die HJ zu gehen und sie zu
unterwandern
, wie sie’s genannt haben. Da gäb’s nämlich inzwischen viele Unzufriedene. Wenn wir’s geschickt anstellen, könnten wir ’ne Menge erreichen.«
Frettchen hat ’n Lachanfall gekriegt. »Das ist ja wohl der Witz des Jahrhunderts! Leute, wir sitzen hier, weil wir mit der HJ nichts zu tun haben wollen. Nur einer, der komplett verblödet ist, kann uns so ’n Vorschlag machen!«
»Die sind nicht verblödet«, hat Flocke gesagt. »Die wissen, wovon sie reden. Was meinst
du
, Flint? Du warst doch auch dabei.«
»Ach, ich weiß nicht. Ich hab ’n mieses Gefühl bei den Typen«, hat Flint gesagt. »Ich glaub, die wollen uns nur benutzen. Wir sollen für sie die Drecksarbeit bei der HJ machen. Aber wenn wir das getan haben und sie uns nicht mehr brauchen, befördern sie uns mit ’nem Fußtritt in die Gosse.« Er hat den Langen angesehen und mit den Schultern gezuckt. »Tut mir leid, Mann. Ich hab dir ja schon gesagt, dass ich’s so sehe.«
»Ja, aber es ist nicht fair, so von ihnen zu sprechen, Flint. Die riskieren ihr Leben gegen die Nazis.«
»Das rechne ich ihnen ja auch hoch an. Aber es heißt nicht automatisch, dass sie auf unserer Seite stehen.« Flint hat den Kopf geschüttelt. »Wacht auf, Leute! Im Grunde gibt’s keinen, der auf unserer Seite steht. Nicht mal die Amis. Oder was glaubt ihr wird passieren, wenn sie kommen und die Nazis zum Teufel jagen? Glaubt ihr, sie sind uns dankbar für das, was wir getan haben? Vergesst es! Für die sind wir auch nur Unruhestifter.«
»Verdammt, Flint!«, hat Tilly gesagt. »Glaubst du denn an gar nichts?«
»Doch, ich glaub an mich. Und an Kralle. Und an euch. Aber da hört’s dann auch auf. Wer an mehr glaubt, ist ’n Idiot, wenn ihr mich fragt.«
Wir haben’s nicht alle so düster gesehen wie Flint, aber mit dem Vorschlag, die HJ zu »unterwandern«, konnte sich keiner anfreunden. Nicht mal Flocke und der Lange, obwohl sie noch am ehesten versucht haben, die Kommunisten zu verteidigen. Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass die uns auch nur rumkommandieren und rumschubsen wollen. Und davon haben wir für dieses Leben genug.
Wir wollen unsere Freiheit, sonst nichts. Und wer uns die nicht geben will, der soll sich zum Teufel scheren.
27. August 1944
Die letzten Tage waren die schrecklichsten, die ich jemals erlebt habe. Eine endlose Aneinanderreihung von Schmerzen und Demütigungen und den ekelhaftesten Dingen, die man sich vorstellen kann. Ein einziger Albtraum, von dem ich gar nicht weiß, wie ich ihn überstanden hab. Und ob es gut war, ihn zu überstehen.
Angefangen hat es letzten Sonntag. Wir hatten uns am Bunker verabredet, weil wir bereden wollten, wie’s mit uns weitergehen soll. Der Lange hat erzählt, er hätte noch mal mit den Kommunisten gesprochen, um ihnen zu sagen, dass wir von ihrem Vorschlag nichts halten und lieber auf eigene Rechnung weitermachen. Sie wären enttäuscht gewesen, aber nicht böse auf uns. Sie hätten gemeint, vielleicht überlegen wir’s uns ja noch mal, dann sollen wir uns bei ihnen melden.
Irgendwann haben wir gemerkt, dass Maja nicht da ist. Das war ungewöhnlich. Sie redet zwar nie viel und macht nicht bei allen Aktionen mit, aber zu unseren Treffen kommt sie eigentlich immer. Ich kann mich nicht dran erinnern, dass sie jemals gefehlt hat, normalerweise kann man die Uhr nach ihr stellen.
An dem Sonntag aber war sie nicht da. Stattdessen ist auf einmal die SS gekommen. Von allen Seiten haben sie sich an uns rangeschlichen, so als wenn sie genau wüssten, dass sie uns um die Zeit da finden können. Dann haben sie uns einkassiert. Wir haben versucht, uns zu wehren, aber da
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