Edelweißpiraten
hinter der Frage stecken könnte. Aber bevor ich was sagen konnte, hat er schon weitergeredet:
»Natürlich kennst du sie, sie gehört ja zu euch. Aber es gibt da etwas, das du über sie nicht weißt. Nämlich, dass sie für uns arbeitet. Deshalb wissen wir über alles, was ihr getan habt, Bescheid.
Über die Flugblätter, die Parolen an den Mauern, eure Treffpunkte, einfach alles.«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Maja sollte für die Gestapo spioniert haben? Unmöglich! Nach allem, was wir durchgestanden hatten! Außerdem hätten sie uns dann schon viel früher festnehmen können. Und müssten uns nicht verhören, sondern könnten uns gleich an die Wand stellen!
»Du fragst dich bestimmt, warum wir uns noch die Mühe machen, euch zu verhören«, hat der am Schreibtisch wieder gesagt. »Ganz einfach: weil es ein paar Sachen gibt, die wir noch nicht wissen. Zum Beispiel, wer eure Hintermänner sind. Oder wer eure Flugblätter druckt. Also: Hast du dazu was zu sagen?«
Ich war immer noch total verwirrt, und selbst wenn ich was hätte sagen wollen, wär ich gar nicht in der Lage dazu gewesen. Er hat kurz gewartet und dann mit den Achseln gezuckt.
»Schade. Aber wir haben Zeit. Viel Zeit. Du wirst uns alles verraten, verlass dich drauf.«
Er ist aufgestanden und hat Hoegen zugenickt. Dann hat er sich umgedreht, ist zum Fenster gegangen und hat rausgesehen. Hoegen ist zu mir gekommen.
»Hosen runter!«
»Was?«
Er hat mich im Nacken gepackt und meinen Kopf nach unten gedrückt. Ich konnte sein stinkendes, verschwitztes Unterhemd riechen, mir wurde fast schlecht.
»Hosen runter, du Arschloch, aber ’n bisschen plötzlich!«
Ich musste tun, was er sagt, und mich mit dem Oberkörper auf einen Tisch an der Wand legen. Er hat so eine Art Hundepeitsche genommen, und dann hat er mit den Prügeln angefangen. Ich hab erst versucht, nicht zu schreien, aber spätestens nach dem dritten Schlag war’s vorbei damit. Es waren so höllische Schmerzen, dass ich geschrien und gebrüllt hab wie am Spieß. Ihn hat’s
nicht interessiert. Er hat immer weitergemacht, bestimmt fünfzig Schläge hat er mir gegeben.
Als es vorbei war, haben sie mich ein paar Minuten mit runtergezogenen Hosen liegen lassen, sich wieder über mich lustig gemacht und ’ne Zigarette dabei geraucht. Dann haben sie den Wärter gerufen, damit er mich runterbringt. Ab jetzt holen sie mich jeden Tag, haben sie gesagt. Und in der Nacht vielleicht auch, je nachdem, ob sie Sehnsucht nach mir haben. Ich sollte mich schon mal drauf freuen.
Unten in der Zelle hab ich mich in ’ne Ecke gehockt und losgeheult. Gar nicht wegen den Schmerzen, sondern weil ich mich so gedemütigt gefühlt hab wie noch nie. Die Männer haben weggesehen. Nur der eine nicht, mit dem wir schon geredet hatten.
»Lass laufen, Junge, kostet nix«, hat er gesagt. »Und stell dir vor, was du mit dem Kerl anstellst, wenn du ihn nachts allein im Park triffst. Das hilft.«
Irgendwann ging’s wieder. Ich hab mich leise mit Tom unterhalten. Sie hatten ihm die gleiche Geschichte über Maja aufgetischt, aber wir waren uns einig, dass es Unsinn ist. So kann man sich in ’nem Menschen nicht täuschen, haben wir gedacht.
»Jetzt fällt mir erst auf, dass ich sie die letzten Tage nicht mehr gesehen hab«, hat Tom gemeint.
»Stimmt. Wo du’s sagst. Ich auch nicht.«
»Stell dir vor – ich meine – wenn sie sie schon vor uns geholt haben?«
»Du meinst, die Gestapo? Hierher?«
Bei dem Gedanken sind wir richtig erschrocken. Aber möglich war’s. Wir haben uns mit dem Mann, der sich um uns gekümmert hatte, in ’ne Ecke verzogen und ihm Maja beschrieben. Mit ihrer Hasenscharte und so. Dann haben wir ihn gefragt, ob er sich an sie erinnern kann.
»Ja, kann ich«, hat er tatsächlich gesagt.
»Was, du hast sie gesehen? Wann?«
»Vor ’n paar Tagen. Eigentlich kriegt man von den Frauen hier nix mit, weil sie ihre eigenen Zellen haben. Aber als sie mich zum Verhör gebracht haben, ist mir so ’n Mädchen, wie ihr’s beschrieben habt, auf der Treppe entgegengekommen. War wohl vor mir dran. Werd den Anblick nicht so schnell vergessen. Als ich in die Folterkammer bin, hat ’ne Frau mit heißem Wasser das Blut …« Er hat uns angesehen und lieber nicht weitergeredet. »Tut mir leid, aber so war’s«, hat er nur noch gesagt.
Wir haben ’n Kloß in der Kehle gehabt. »Was meinst du damit, so war’s?«, hat Tom gefragt.
»Ach, hört auf, Jungs. Lasst mich in Ruhe. Ihr quält euch doch
Weitere Kostenlose Bücher