Edelweißpiraten
nur selbst.«
Wir haben ’ne Zeit dagesessen und waren total fassungslos. Dann hat Tom gesagt:
»Das heißt – sie hat ihnen nichts freiwillig verraten?«
»
Die
, freiwillig? Auf keinen Fall! Haben sie euch das etwa auf die Nase gebunden?«
»Ja.«
Er hat kurz überlegt und zu den anderen Männern hingesehen, dann hat er uns noch tiefer in die Ecke gezogen.
»Jetzt hört gut zu, Jungs«, hat er geflüstert. »Und vergesst es nicht, denn ich sag’s euch nur einmal. Die von der Gestapo werden alles versuchen, aus euch was rauszukriegen. Erst schlagen sie euch die Fresse blutig. Dann sagen sie, eure Freunde hätten gesungen, und sie wüssten schon alles. Beim nächsten Mal versprechen sie, dass ihr freikommt, wenn ihr was verratet. Jeden Tag lassen sie sich ’ne neue Schweinerei einfallen. Aber egal, was es ist: Ihr dürft nie –
niemals
, hört ihr? – irgendwas zugeben. Tut ihr’s nämlich, seid ihr so gut wie tot. Nur wenn ihr immer hübsch die Klappe haltet und euch dumm stellt, habt ihr ’ne Chance, hier lebend wieder rauszukommen.«
Wir haben’s uns hinter die Ohren geschrieben. Und noch was haben wir gemerkt: Der Typ wusste, wovon er redet. Der war mit Sicherheit nicht so »unschuldig«, wie er behauptet.
»Weißt du, was mit Maja passiert ist?«, hat Tom ihn gefragt.
»Nein. Ich glaub nicht, dass sie noch hier ist.« Er hat mit den Schultern gezuckt. »Tut mir leid, Jungs. Aber was immer sie mit ihr getan haben: Rechnet nicht damit, dass ihr sie wiederseht.«
Mehr hat er nicht sagen wollen. Wir haben uns zusammengehockt und über Maja geredet. Wo sie wohl jetzt war. Und was sie denen von der Gestapo gesagt haben könnte. Anscheinend hatte sie ihnen zumindest verraten, wo wir uns heute treffen wollten, denn das hatten die von der SS gewusst.
»Wahrscheinlich noch mehr«, hat Tom gesagt. »Aber nichts, das sie uns beweisen können. Sonst würden sie noch ganz anders mit uns umspringen.«
»Ja. Aber, Tom: Ich kann’s Maja nicht übelnehmen.«
»Ich auch nicht, Mann. Sie war ganz allein mit diesen Schweinen. Da darf man gar nicht dran denken!«
Wir haben die Fäuste geballt und uns ohnmächtig und hilflos gefühlt. Dann haben wir einfach dagesessen und drauf gewartet, was kommt. Ständig wurden Leute zum Verhör geführt. Irgendwann war’s vorbei damit, und es ist Nacht geworden. Aber die Zelle war viel zu klein, es konnten gar nicht alle gleichzeitig liegen. Also hat sich nur die Hälfte auf den Boden gelegt, die anderen haben sich an die Wand gehockt. Jede Stunde, wenn die in der Hocke es nicht mehr aushalten konnten, haben wir gewechselt, so ging’s die ganze Nacht durch. Wenn einer musste, gab’s ’n Eimer in der Ecke. Da kam alles rein. Von da ist auch der Gestank gekommen, der einen erst recht nicht schlafen ließ. Es war die reinste Hölle.
Am nächsten Morgen waren wir gerädert bis dorthinaus. Zum Frühstück gab’s ’n Becher Wasser und ’ne Scheibe Brot für jeden,
sonst nichts. Und dann ging’s wieder mit den Verhören los. Mich haben sie gegen Mittag geholt, diesmal war ich vor Tom dran.
Als ich in die Folterkammer rein bin, ist mir fast das Herz stehengeblieben. Da waren Hoegen und der andere von gestern und außerdem zwei Hitlerjungen. Ich hab sie sofort erkannt. Sie gehörten zu denen, die uns vor dem HJ-Heim erwischt hatten. Denen wir nur mit Hilfe von Flints Messerstich entkommen waren. Jetzt haben sie dich, hab ich gedacht. Jetzt machen sie dich fertig, bis du nicht mehr aus den Augen gucken kannst!
Ich musste vor die beiden hintreten, und dann hat der Schreibtischmensch sie gefragt, ob sie mich wiedererkennen und ob ich einer von den »Schmierfinken« wär. Sie haben mir direkt in die Augen gesehen, und es war klar, dass sie mich genauso erkennen wie ich sie. Trotzdem haben sie erst rumgedruckst.
»Ich weiß nicht«, hat einer von ihnen gesagt. »Es ist so dunkel gewesen.«
»Dunkel? Was heißt hier dunkel? Was glaubt ihr, was das hier ist? ’n Kindergeburtstag? Ihr seid in der HJ, ihr Idioten, also benehmt euch gefälligst so!«
Er hat den anderen HJler angesehen. Der ist blass geworden und hat angefangen zu stottern.
»Ich – ich – ich glaub nicht, dass er’s war.«
Die von der Gestapo haben ausgesehen, als könnten sie ihren Ohren nicht trauen. Sie haben den beiden ordentlich zugesetzt, aber die sind dabei geblieben, dass sie mich nicht kennen – egal, womit Hoegen ihnen gedroht hat. Es sah fast so aus, als hätten sie vorher abgesprochen,
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