Eden
Leuchtspurmunition flackerte die Straße entlang, traf die auf die Soldaten zulaufenden Menschen. Viele stürzten, wurden von den Geschossen zerschmettert. Blut spritzte aus den Wunden, aber sie stolperten weiter, rannten sogar.
Die Menge kam näher. Der Reporter sagte: »So was wie diese Scheiße hab ich seit dem Irak nicht mehr gesehen.« Dann entschuldigte er sich bei den Zuschauern für seine Wortwahl, verhaspelte sich, machte die Situation für seine Schwierigkeiten verantwortlich. Das MG feuerte blindlings weiter, unaufhörlich, während die Stellung der Soldaten überrannt wurde.
Der Kameramann zoomte auf einen hageren Schwarzen, der mit gesenktem Kopf seine Verfolger abzuhängen versuchte.
Der Mann schrie auf, packte sich ans Knie und stürzte. Er war getroffen. Er wand sich auf dem Asphalt, umklammerte das zertrümmerte Bein. Blut spritzte zwischen den Fingern hervor. Dann hatten die Verfolger ihn eingeholt.
Harris und die anderen starrten gebannt auf die Bilder, als die Angreifer sich auf den am Boden Liegenden stürzten, der wild schreiend auf sie einschlug. Einer der Aggressivsten verbiss sich in das blutende Knie, und als er den Unterschenkel losriss, schaltete Harris den Fernseher ab.
Beschwerden. Warum schalten Sie den Fernseher aus?
»Herr im Himmel«, stieß die Sekretärin aus.
»Warum haben Sie abgeschaltet, Harris?«, fragte der Sportlehrer.
»Das reicht«, antwortete er. »Das müssen die Kinder nicht sehen.«
Schüler und Lehrer murrten. Der Geräuschpegel stieg. Sie waren aufgeregt, teilweise verängstigt. Andere fanden es cool.
»Hast du den mit dem einen Arm gesehen, wie er hinter der Frau her war? Total geil!«
»Herhören!«, rief Harris, und legte an Testosteron in seine Stimme, was er nur konnte. Benutzte seinen lautesten, tiefsten Befehlston, den er normalerweise für die seltenen Gelegenheiten aufsparte, bei denen er eine Schlägerei beenden musste.
»Hört ihr mir zu?«
Das Gemurmel wurde leiser.
»He, zuhören!«, zischte jemand.
» Alle ?«
Jetzt verstummten auch die Letzten.
»In Ordnung.« Er wusste nicht genau, was er sagen sollte, also improvisierte er. »Da draußen in der Innenstadt läuft irgendetwas gewaltig aus dem Ruder. Wir wissen nicht, was genau, und wie es aussieht, wissen die Leute vom Fernsehen es auch nicht. Eine Menge von uns haben Familie und Freunde in der Stadt, um die wir uns Sorgen machen. Das verstehe ich. Das ist völlig natürlich.«
Er ging in die Mitte des Raums, benutzte seine Stimme, seine Gesten, um alle einzuschließen. Drehte den Kopf, stellte früher oder später mit jedem in der Cafeteria Blickkontakt her.
»Für das Schulgelände gilt Code Grün. Das bedeutet, niemand betritt oder verlässt das Gebäude. Niemand«, wiederholte er. Der Sportlehrer blickte weg.
»Wir werden bis 14 Uhr hier warten.« Dann war Schulschluss und die Busse kamen, um die Schüler abzuholen, die noch keinen Führerschein hatten. »Wir wissen nicht, ob sich das – was auch immer es ist – auf die Stadt beschränkt oder auch hier bei uns passiert. Ich will nicht, dass irgendeiner von euch verletzt wird, nicht einer, und deshalb bleiben wir alle hier, bis wir Näheres erfahren.«
Harris wiederholte sich noch einmal: »Das gilt für alle .«
»Können wir den Fernseher wieder einschalten?«, fragte ein Schüler.
»Nein. Wir zeigen hier keine Gewaltvideos, und diesen Dreck zeigen wir auch nicht. Jemand kann ein Radio aus einem der Klassenzimmer holen und einschalten. Bruce, haben Sie noch den Ghettoblaster in Ihrem Zimmer?«
Der Sportlehrer bejahte die Frage und machte sich auf den Weg.
»In Ordnung. An alle Lehrer, die Kinder bleiben hier oder nebenan in Joys Klasse. Ich will von jedem wissen, wo er ist. Keine Spaziergänge. Das Wichtigste ist, dass wir jetzt Ruhe bewahren. Wenn wir uns verrückt machen, hilft das niemand. Klar?«
Hier und dort vereinzelte Zustimmung. Ein paar der Mädchen weinten. Die Schüler, die schon länger hier waren, wussten, dass man sich auf Harris verlassen konnte.
»Mister Harris«, fragte Shanequa, eine verängstigte Neuntklässlerin mit Afrofrisur. »Werden uns diese Dinger auch holen?«
»Ich werde nicht zulassen, dass diese Dinger euch in die Finger bekommen, Shanequa. Nicht einen von euch.«
Niemand, der sein Versprechen hörte, hatte den geringsten Zweifel daran, dass er es halten würde.
Der Sportlehrer kam mit seinem Radio zurück und erklärte, er würde es in Ms. Noddings Klasse anschließen. Mehrere
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