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Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Mochinski
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sie wollte nicht und blickte noch einmal über die Kante hinab.
    Kelsey lag auf der Straße, von den Flammen versengt, von den Untoten aufgeschlitzt, ein Arm am Ellbogen von einem Zombie oder der Handgranate abgerissen. Während Julie zu ihr hinunterschaute, setzte das Mädchen sich auf, drehte den Kopf, stand auf und wankte die Straße hinab, während ihre verbliebenen Eingeweide aus dem zerfetzten Bauch fielen.
    »Oh, mein Gott«, war alles, was Julie sagen konnte. Sie waren tot. Alle tot.

20
     
    Dass er einmal sterben würde, war Harris schon immer klar gewesen, aber mit Sicherheit sagen zu können, wann und wie, war ziemlich überwältigend. Bis Mitte zwanzig hatte auch er unter der allzu menschlichen Illusion gelitten, dass Sterblichkeit ein Zustand war, der nur andere betraf.
    Dann hatte er sich den Leistenbruch zugezogen, den er schließlich operieren ließ. Es war keine unbedingt notwendige Operation gewesen, der Bruch hatte keine Komplikationen verursacht, etwa durch eine abgeschnürte Darmschleife oder etwas in der Art, und er war noch am selben Tag wieder bei seinen Eltern gewesen, um sich zu erholen. Trotzdem, die bloße Tatsache, dass seine Eingeweide die Bauchdecke durchbrochen hatten, ließ ihn erkennen, dass auch er eines Tages sterben würde. Er war letztendlich auch nicht anders als alle anderen.
    Am Tag des Bisses hatte Harris den frühen Nachmittag unter Menschen verbracht. Er mochte Menschen. Schon immer. Er brauchte nicht im Mittelpunkt zu stehen, aber er kam gut mit anderen Leuten aus, und diese Umgänglichkeit hatte ihm im Leben schon manche Tür geöffnet. Sie machte ihn zu einem guten Rektor, und sie hatte ihm geholfen, seine Frau kennenzulernen und zu heiraten.
    Was ihm an Zeit noch blieb, verbrachte er mit den Leuten in Eden, deren Gesellschaft ihm behagte. Er half Bobby Evers im Garten beim Umgraben für die nächste Aussaat. Zwischen den Zügen am Inhaliergerät war Evers wieder ganz der alte Witzbold.
    Leuten, die er nicht mochte, ging er aus dem Weg. Thompson hielt Abstand, aber das tat er schon länger, seit Harris ihm eine Lektion über Julie und über Respekt erteilt hatte.
    Harris mied Diaz. Der Dominikaner hatte ihm nie etwas getan, aber er mochte den Kerl nicht. Diaz war einfach nicht sein Typ. Außerdem spürte er eine gewisse Feindseligkeit von ihm ausgehen, seit er Shannon erschossen hatte. Er legte keinen Wert darauf, das näher auszuloten.
    Auch um Isabel machte er einen Bogen. Sie war harmlos mit dem Kind an der Hüfte und ihrem anzüglichen Geplauder, aber sie gehörte einfach nicht zu der Art Mensch, mit der er seine letzten Stunden verbringen wollte.
    Er wollte sich unter Menschen aufhalten, so lange es ging. Der Husten wurde schlimmer, und er hatte ein buntes Halstuch umgelegt, mit dem er das Blut und den Auswurf auffangen konnte. Noch fühlte er sich ziemlich gut, wenn ihn auch ab und an Magenkrämpfe schüttelten. Zum Glück waren sie noch nicht so häufig, und sie kündigten sich rechtzeitig an, so dass er sich an einen ruhigen Ort zurückzuziehen konnte, bevor es losging.
    »Kann ich dich mal was fragen, Kumpel?« Bobby Evers stützte einen haarigen Unterarm auf den Spatengriff und wischte sich die Stirn daran ab.
    »Klar.«
    »Hast du bei all dem jemals etwas getan … etwas getan, das du bereust? Etwas, das dich nicht loslässt?«
    Harris schwieg eine Weile. Solange er die Fassade aufrechterhielt, war er noch eine Weile sicher. Er hatte ganz bestimmt nicht vor, ein Untoter zu werden und irgendeinen seiner Freunde zu verletzen, aber er würde Thompson umbringen.
    »Klar, das haben wir doch alle. Warum, Bobby, was liegt dir auf der Seele?«
    »Verdammt, ist das so offensichtlich? Na ja, warum soll ich es dir nicht erzählen.«
    »Ich hör dir zu.«
    »Als Graham und seine Banditen – in der Hölle schmoren sollen sie allesamt -, als sie hier noch das Sagen hatten, ist mal eine Gruppe von Leuten auf der anderen Seite der Mauer aufgetaucht. Sechs oder sieben waren es, ich weiß nicht mehr so genau.
    Fred Turner hat sie reingelassen, aber wir haben von Anfang an gespürt, dass irgendwas nicht in Ordnung war mit ihnen. Da war einer dabei, der war hypernervös. Hatte eine Schrotflinte und blieb immer dicht bei seiner Frau und seinem Kind. Sie waren beide dick eingemummelt, und das war an einem Frühlingstag. Nicht etwa im Winter.
    Graham und Markowski, dieser Irre, kommen also rüber und sagen, Waffen runter, aber ihre eigenen hatten sie natürlich im Anschlag.

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