Edens brisantes Geheimnis
zurückgelassen.
Schwester Maxine führte Eden die Treppe hinunter, an der Cafeteria vorbei in einen Tunnel, der die Schule mit der Kirche verband. Diesen Weg zur Messe nahmen die Schüler bei schlechtem Wetter.
„Deine Trauer schmerzt mich, Candace ... ich meine, Eden. Dein Bruder hat gefährliche Wege beschritten."
Sein kriminelles Leben hatte ihn getötet. Wie es auch ihren Vater und ihren Onkel getötet hatte. Und ihre einzige wahre Liebe. Sein Name wehte durch ihre Erinnerung. Peter Maggio.
Die vergangenen Jahre hatte Eden versucht, nicht an ihn zu denken, Gedanken an ihn nicht zuzulassen. Dennoch würden ihre Sinne seine sanften Liebkosungen nicht vergessen. In ihrer Erinnerung würde sie immer auf den Klang seiner tiefen, samtigen Stimme lauschen, wie sie von Liebe sprach und davon, sie nie zu verlassen. Sie würde Peter jeden Tag sehen, wenn sie ihren gemeinsamen Sohn betrachtete. Josh war fast zwölf Jahre alt, aber er wirkte älter.
Manchmal, wenn er eine Frage stellte, neigte er den Kopf zur Seite wie Peter, und sie sah in ihm jeden Tag mehr das Ebenbild seines Vaters. Seine Familie mütterlicherseits hatte ihr Sohn niemals kennen gelernt. Und würde sie niemals kennen lernen, wie Eden sich geschworen hatte. Vor allem anderen in der Welt musste sie Josh vor den Verones schützen.
Im Keller der Kirche öffnete Schwester Maxine eine Tür, dann noch eine. An der dritten blieb sie stehen.
„Dies mag schwierig für dich sein, Eden. Aber ich glaube, dieses Treffen ist wichtig für dich. Ich persönlich habe ihn immer für einen guten Mann gehalten."
Ihn? Von wem sprach sie? „Ich verstehe nicht, Schwester..."
„Meine Gebete sind mit dir. Sei stark." Schwester Maxine öffnete die Tür, schob Eden hindurch und schloss die Pforte hinter ihr.
Das einzige Licht in dem kleinen Raum, in dem die Chorkleider und Ornate in Plastiküberzügen aufbewahrt wurden, stammte von einer schwachen Lampe an der Decke. Es war zwar nicht dunkel, aber Eden kniff die Augen ein wenig zusammen, um überhaupt etwas erkennen zu können.
Ihr Blick konzentrierte sich auf einen Mann in abgenutzter brauner Lederjacke. Nun konnte sie auch Einzelheiten ausmachen: polierte rotbraune Halbschuhe, die Nähte seiner Jeans, die Knöpfe an dem weißen Hemd, die leichte Ausbeulung an der Jacke - ein untrügliches Zeichen für ein Schulterhalfter. Das kantige Kinn, wie aus Granit gemeißelt. Die ernsten dunklen Augen, von feinen Fältchen umgeben.
„Peter", flüsterte sie.
Er sah älter aus. Seine hohen Wangenknochen und das Kinn traten schärfer hervor. Durch seine schwarzen Haare zogen sich feine graue Strähnen.
Sie träumte. Peter Maggio war tot. Seit zwölf Jahren tot.
„Candace ...", sagte er.
„Eden", berichtigte sie ihn automatisch. Ihr Herz hämmerte wie wild gegen die Rippen.
„Candace ist tot. So wie du. Wir sind beide tot."
„Ich habe ein Treffen unter solchen Umständen nicht gewollt. Ich hätte dir gern Zeit gegeben ..."
„Warte!" Die geliebte Stimme wurde von einem Dröhnen in ihren Ohren übertönt. Sie hatte den Verstand verloren. War verrückt geworden. „Du bist tot."
„Überzeug dich vom Gegenteil."
Als er die Hand nach ihr ausstreckte, wich sie voller Entsetzen zurück. Diese gut aussehende Erscheinung konnte sie mit sich in das Grab ziehen, in dem sie dann für alle Ewigkeit nebeneinander ruhen würden. Zu oft hatte sie von einem solchen Frieden geträumt, davon, wieder in seinen Armen zu liegen. Für immer. Aber sie konnte ihren Sohn nicht einfach verlassen. Sie musste Josh beschützen. Seinetwegen musste sie leben.
Der Geist machte einen Schritt auf sie zu, trat aus dem Schatten.
„Bleib, wo du bist! Fass mich nicht an", keuchte sie.
„Eden, es ist alles in Ordnung. Ich werde dir nicht wehtun."
Das schwache Licht der Glühbirne zauberte Lichtreflexe in sein Haar. Sie starrte ihn an, konnte das Wunder einfach nicht fassen, das da vor ihr stand. Er war es tatsächlich. Und er lebte. Peter Maggio war von den Toten zurückgekehrt. Ein Wunder? Oder ein Fluch? Sie wusste es nicht.
Eden schloss die Augen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Ihre Knie knickten ein. Sie fühlte, wie sie zusammensank und in einen bodenlosen Abgrund fiel.
Payne kniete sich neben sie, nahm sie in die Arme. Natürlich hatte er nicht vorgehabt, sie zu Tode zu erschrecken, dennoch hätte er damit rechnen müssen, dass sie so reagieren würde. Sie musste ihn ja für einen Geist halten.
Er hätte Schwester Maxine bitten
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