Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk
Aufregung des Meeres vergangen war. Nunu warf sich jetzt im Boot platt aufs Angesicht, und kein Zureden konnte ihn zum Aufstehen bewegen.
7. März. Heute fragten wir Nunu, aus welchen Gründen seine Landsleute unseren Kameraden so übel mitgespielt hätten. Aber ihn hatten Angst und Schrecken schon so sehr überwältigt, daß er uns keine verständige Antwort mehr zu geben imstande war. Er lag beharrlich auf dem Bootskiel ausgestreckt, und als wir ihn nochmals nach den Beweggründen seiner Stammesgenossen fragten, bediente er sich nur einer blödsinnigen Zeichensprache, indem er den Zeigefinger an die Oberlippe legte und die Zähne darunter entblößte. Diese Zähne waren schwarz. Wir hatten vorher bei keinem einzigen Eingeborenen von Tsalal das Gebiß gesehen.
8. März. Heute trieb eines jener weißen Tiere an uns vorüber, wie es damals so plötzlich in der Bucht von Tsalal den Wilden ein so großes Entsetzen eingejagt hatte. Ich wollte es auffischen; aber mit einem Male kam eine unbeschreibliche Gleichgültigkeit über mich, und ich ließ das Tier weiterschwimmen. Die See wurde immer wärmer und wärmer, es war nicht mehr möglich, die Hand hineinzutauchen. Peters sprach nur wenig; ich wußte nicht recht, was ich von seiner Lässigkeit denken sollte; Nunu atmete eben noch.
9. März. Beständig fiel jetzt jener weiße Aschenregen auf uns nieder, und zwar in ungeheuren Mengen. Die gewaltige Dunstwand im Süden war unheimlich hoch überm Horizont emporgewachsen und begann jetzt eine deutlichere Gestalt anzunehmen. Ich kann sie nur mit einem auf keiner Seite begrenzten Wasserfall vergleichen, der sich schweigend von irgendeiner riesenhaften und weltentfernten Zinne des Himmels in das Meer ergoß. Dieser gigantische Vorhang schien die ganze Weite des südlichen Horizontes einzunehmen. Kein Laut ging von ihm aus.
21. März. Nun hing ein mürrisches Dunkel über uns; aber aus den milchigen Tiefen des Ozeans hob sich glimmender Schein und stieg leuchtend an den Flanken des Bootes herauf. Der weiße Aschenregen lagerte sich erdrückend auf uns und begann das Kanu zu füllen, aber im Wasser zergingen seine Flocken. Der Gipfel des Kataraktes verschwand vollkommen im Dämmer der Höhe und Ferne. Doch näherten wir uns ihm offenbar mit grauenhafter Schnelligkeit. Zuweilen erblickte man in ihm weite, gähnende Risse, die sich jedoch augenblicklich wieder schlossen; und aus einer dieser Klüfte, in der sich ein Chaos flirrender und zerfließender Gestalten bewegte, strömte ein heftiger, aber geräuschloser Wind hervor, dessen mächtiger Atem den flammenden Ozean aufwühlte.
22. März. Die Finsternis war immer dichter geworden, und nur der Widerschein des Wassers auf dem weißen Riesenvorhang belebte flirrend die Meeresnacht. Viele ungeheure und gespenstisch bleiche Vögel flogen jetzt unablässig aus jenem Schleier hervor, und während sie sich den Blicken entzogen, schrillte noch ihr ewiges Tekeli-li! in unseren Ohren. Da rührte sich Nunu noch einmal auf dem Boden des Kanus; aber als wir ihn anfaßten, sahen wir, daß er den Geist aufgegeben hatte. Und jetzt rasten wir den Umarmungen des Wassersturzes entgegen, dorthin, wo sich eine Spalte auftat, uns zu empfangen. Aber in diesem Augenblick erhob sich mitten in unserem Wege eine verhüllte, menschliche Gestalt, doch weit gewaltiger in allen Maßen als die Kinder der Erde. Und ihre Haut war von weißer Farbe, von der Farbe des leuchtendsten, blendendsten ewigen Schnees – –
Nachwort
Die Tagespresse hat unsere Leser von den näheren Umständen, die mit dem unerwarteten und betrübenden Tod des Herrn Pym in Zusammenhang stehen, genau unterrichtet. Es ist zu befürchten, daß die wenigen Kapitel, die seine Erzählung abschließen sollten und die er, während das übrige bereits im Druck war, noch einmal durchzusehen beabsichtigte, durch den Unfall, der ihm das Leben kostete, vernichtet worden sind. Doch vielleicht ist diese Sorge unbegründet, und dann sollen die fehlenden Papiere noch nachträglich der Öffentlichkeit übergeben werden.
Man hat auf jede Art danach getrachtet, die Lücke auszufüllen. Der Herr, dessen Name in der Vorrede erwähnt ist und der, nach den dortigen Ausführungen zu urteilen, einen Ersatz zu schaffen wohl imstande wäre, hat den Auftrag abgelehnt; er tat das aus zureichenden Gründen, die mit der allgemeinen Ungenauigkeit der ihm vorgelegten Einzelheiten und mit den Zweifeln im Zusammenhang stehen, die er in die Wahrhaftigkeit des letzten
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