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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Erkenntnis ist; dessen Bestimmung sich in Unendlichkeit verliert; eines Ganzen, das uns Menschen genau so erkennt wie wir die kleinen und kleinsten Tierchen, die unser Gehirn beunruhigen, und ein Wesen ist, das wir als leblos, als reinen Stoff betrachten, geradeso wie uns diese Tierchen, die animalculae, dafür halten werden.
    Unsere Teleskope und mathematischen Berechnungen bestätigen uns in jedem einzelnen Punkt, daß der Raum, und folglich auch das Volumen, in den Augen des Allmächtigen eine wichtige Bedeutung hat. Die Kreise, in denen sich die Sterne bewegen, sind der ganzen Evolution so angepaßt, daß in ihnen die größtmögliche Zahl von Körpern ohne Kollision ihre Bahn beschreiben kann. Die Form dieser Körper enthält auf der gegebenen Oberfläche die größtmögliche Menge Materie, und die Oberfläche selbst ist so beschaffen, daß sie unter diesen Umständen eine größere Zahl Bewohner aufnehmen kann, als wenn sie auf irgendeine Weise anders geartet wäre. Auch kann man aus der Unendlichkeit des Raumes gar kein Argument gegen den Gedanken herleiten, daß der Stoff in den Augen Gottes Bedeutung habe; es kann ja eine Unendlichkeit der Materie geben, um ihn zu füllen. Da wir nun klar erkennen, daß die Belebung dieser Materie, wenigstens so weit wir urteilen, das leitende Prinzip in dem Wirken der Gottheit ist, wäre es unlogisch, anzunehmen, daß dieses Prinzip sich auf die Regionen des Kleinen, in denen es sich uns täglich offenbart, beschränke und nicht auch das Erhabene durchdringe. Wie wir bis ins Unendliche Kreise in Kreisen finden, die sich alle um einen unendlich weit entfernten Mittelpunkt, das Haupt der Gottheit, drehen – können wir so nicht, dem entsprechend, Leben in Leben vermuten, das geringere in dem höheren und das ganze im Geiste Gottes? Kurz, wir irren, wenn wir in törichter Selbstüberschätzung glauben, daß der Mensch in seiner zeitlichen oder zukünftigen Entwicklungsform eine größere Wichtigkeit im Weltall habe als die Ackerkrume, die er bebaut und der er die Seele aus einem sehr wenig tiefen Grunde abspricht: weil er das Gesetz ihres Seins und dessen lebendige Wirkung nicht sieht. (Fußnote: Pomponius Mela sagt in seiner Abhandlung ›De Situ 0rbis‹: ›Entweder ist die Welt ein großes Tier, oder...,‹ etc. E. A. P. Ende der Fußnote)
    Diese und ähnliche Gedanken gaben meinen Betrachtungen in den Bergen und Wäldern, am Ufer der Flüsse und am Strande des Meeres eine Richtung, welche die alltägliche Welt phantastisch nennen wurde. Unzählige Male habe ich forschend einsame Gegenden durchwandern und die still-rege Beschaulichkeit, mit der ich manches dunkle Tal durchstreifte oder mein Auge über manchen weithin schimmernden See schweifen ließ, wurde noch durch den Gedanken vertieft, daß ich allein umherirrte, allein betrachtete. Welcher geschwätzige Franzose sagte doch mit einer Anspielung auf das wohlbekannte Werk Zimmermanns: ›La solitude est une belle chose; mais il faut quelqu‘un pour vous dire que la solitude est une belle chose!‹? Als Epigramm läßt sich nichts gegen diesen Satz einwenden; aber: il faut! Diese Notwendigkeit ist ein Ding, das es nicht gibt.
    Auf einer meiner einsamen Wanderungen durch eine ferne, von Bergen umschlossene und von Bergen durchquerte Gegend, an traurig plätschernden Flüssen und düsteren, schlafenden Seen vorüber, kam ich an einen kleinen Bach, der eine Insel umsäumte. Es war im Laubmonat Juni. Ich warf mich auf den Boden, unter die Zweige eines duftenden, unbekannten Gesträuches, um, während ich mir die Landschaft besah, zugleich ein wenig ausruhen zu können. An allen Seiten, nur nicht im Westen, wo die Sonne sich schon dem Untergang neigte, erhoben sich die grünen Mauern des Waldes. Der kleine Bach, der eine scharfe Biegung machte und sich ganz plötzlich den Blicken entzog, schien keinen Ausweg zu haben und im Osten von dem tiefen Grün der Bäume aufgesogen zu werden; während an der gegenüberliegenden Seite – so schien es mir wenigstens, als ich den Blick nach oben richtete – lautlos ein reicher, purpurgoldener Wasserfall aus den westlichen Lichtquellen des Himmels in das Tal herniederstürzte.
    Etwa im Mittelpunkt der Landschaft, die mein träumender Blick umschloß, ruhte im Schoß des Baches das kleine, runde, üppig begrünte Eiland,
    Dess‘ Licht und Schatten so getönt,
    Daß in der Luft es schwebend schien -
    Und so spiegelhell war das Wasser, daß man nicht erkennen konnte, an welchem Punkt des

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