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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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ich in meiner Liebe! Diese köstlichen Phantasien und Schlußfolgerungen wurden jetzt aber durch das Fallen des Vorhangs unterbrochen. Das Publikum erhob sich, und sofort setzte der übliche Tumult ein. Ich ließ Talbot stehen und gab mir alle Mühe, in Madame Lalandes Nähe zu gelangen. Doch mißglückte mir das infolge des Gedränges, und so gab ich die Jagd schließlich auf und lenkte meine Schritte heimwärts. Über das Mißgeschick, das mir nicht vergönnt hatte, auch nur den Saum ihres Kleides zu berühren, tröstete ich mich mit dem Gedanken, daß ich von Talbot am folgenden Tage in aller Form bei ihr eingeführt werden sollte.
    Dieser Tag kam endlich; das heißt, nach einer langen Nacht qualvoller Ungeduld dämmerte der Tag, und nun folgten schneckenlangsam trübe und zahllose Stunden, bis es eins wurde. Doch es heißt ja, »selbst Stambul hat ein Ende«, und so fand auch diese lange Frist ihre Grenze. Die Uhr schlug. Und als der Schlag verklungen war, betrat ich Talbots Wohnung und fragte nach ihm.
    »Fort«, sagte der Lakai – Talbots Kammerdiener.
    »Fort?« erwiderte ich und prallte ein paar Schritte weit zurück; »höre, mein schlauer Junge, das ist ganz ausgeschlossen, ganz und gar unmöglich; Mr. Talbot ist nicht fort. Was meinst du damit?«
    »Nichts, Herr; nur, Mr. Talbot ist nicht da. Das ist alles. Er ist nach S. hinübergeritten, gleich nach dem Frühstück, und hat hinterlassen, daß er nicht vor Ablauf einer Woche in die Stadt zurückkommen würde.«
    Ich stand vor Schreck und Wut versteinert. Ich versuchte, zu entgegnen, doch die Zunge versagte mir den Dienst. Endlich drehte ich mich, krebsrot vor Grimm, auf dem Absatz herum und wünschte das ganze Geschlecht der Talbots zu allen Teufeln. Es war klar, daß mein geschätzter Freund, il fanatico, seine Verabredung mit mir ganz vergessen hatte – sie im Augenblick, wo sie getroffen wurde, vergessen hatte. Er war nie der Mann gewesen, der sein Wort sehr wichtig nahm. Da war nichts zu machen; ich dämpfte also meine Entrüstung, so gut ich konnte, und schritt übelgelaunt die Straße hinunter, indem ich jedem Bekannten, den ich traf, mit belanglosen Fragen nach Madame Lalande zusetzte. Ich fand, daß alle sie vom Hörensagen kannten, viele vom Sehen – sie war aber erst seit einigen Wochen in der Stadt, daher gab es nur wenige, die sich ihrer persönlichen Bekanntschaft rühmen konnten. Und diese wenigen, die ihr verhältnismäßig fremd waren, konnten oder wollten sich nicht die Freiheit herausnehmen, mich durch einen förmlichen Vormittagsbesuch bei ihr einzuführen. Als ich nun so voll Verzweiflung mit einem Freundeskleeblatt über den ausschließlichen Gegenstand meiner Herzensneigung sprach, geschah es, daß dieser Gegenstand selber vorbeikam.
    »Bei meinem Leben, da ist sie!« rief einer.
    »Überwältigend schön!« rief der zweite.
    »Ein Engel auf Erden!« äußerte der dritte.
    Ich sah hin; in einem offenen Wagen, der langsam näher kam, saß meine bezaubernde Erscheinung aus der Oper in Begleitung der jungen Dame, die mit ihr in der Loge gewesen war.
    »Auch ihre Begleiterin konserviert ausgezeichnet«, sagte jener der drei, der zuerst gesprochen hatte.
    »Erstaunlich,« sagte der zweite, »geradezu glänzend; doch Kunst tut Wunder. Auf mein Wort, sie sieht heute besser aus als vor fünf Jahren in Paris. Noch immer eine schone Frau; – findest du nicht auch, Froissart? – Simpson, meine ich.«
    »Noch immer?« sagte ich. »Und warum sollte sie nicht? Doch verglichen mit ihrer Freundin ist sie wie ein Nachtlicht zum Abendstern – ein Glühwürmchen zum Antares.«
    »Ha, ha, ha! – Höre, Simpson, du hast ja eine erstaunliche Begabung, Entdeckungen zu machen – originell, meine ich.« Und so trennten wir uns, während einer der drei ein lustiges Vaudeville zu summen begann, von dem ich nur die Worte
    »Ninon, Ninon, Ninon à bas –
    A bas Ninon de l‘Enclos!«
    auffing.
    Eines aber an dieser kleinen Szene hatte wesentlich dazu beigetragen, mich zu trösten, wenngleich es der verzehrenden Leidenschaft neue Nahrung gab. Als der Wagen Madame Lalandes an unsrer Gruppe vorüberfuhr, sah ich, daß sie mich erkannte. Und mehr als dies; sie hatte mir durch ein engelgleiches Lächeln ein unzweideutiges Zeichen des Wiedererkennes gegeben.
    Die Hoffnung, bei ihr eingeführt zu werden, mußte ich allerdings vertagen, bis Talbot sich bewogen fühlte, vom Lande zurückzukehren. Inzwischen besuchte ich jede vornehme Vergnügungsstätte, und

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