Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
Vom Netzwerk:
endlich wurde mir das himmlische Glück zuteil, ihr in dem Theater, in dem ich sie zuerst gesehen hatte, wieder zu begegnen. Das geschah jedoch erst nach Ablauf von vierzehn Tagen. Inzwischen hatte ich jeden Tag in Talbots Wohnung nach ihm gefragt und war jeden Tag durch das standhafte »Noch nicht zurückgekommen« seines Dieners erneut in einen Wutanfall versetzt worden.
    An dem fraglichen Abend geriet ich daher in einen Zustand, der nahe an Verrücktheit grenzte. Madame Lalande, hatte man mir gesagt, war eine Pariserin – war unlängst aus Paris eingetroffen; konnte sie nicht plötzlich dorthin zurückkehren? – Zurückkehren, ehe Talbot wiederkam – und mir so für immer verloren gehen? Der Gedanke war unerträglich. Da mein Zukunftsglück auf dem Spiele stand, beschloß ich, mit männlicher Entschlossenheit zu handeln. Mit einem Wort: als das Stück aus war, folgte ich der Dame bis zu ihrem Hause, notierte die Adresse und sandte ihr am andern Morgen einen langen und ganz ausführlichen Brief, in dem ich ihr mein ganzes Herz ausschüttete.
    Ich sprach kühn, frei – kurz, ich sprach mit Leidenschaft. Ich verbarg nichts – auch von meiner Schwachheit nichts. Ich berief mich auf die romantischen Umstände unsrer ersten Begegnung – sogar auf die Blicke, die zwischen uns getauscht worden waren. Ich ging so weit, zu sagen, ich sei von ihrer Liebe überzeugt, während ich diese Gewißheit und meine eigne innige Ergebenheit als zwei Entschuldigungsgründe für mein andernfalls unverzeihliches Betragen anführte. Als dritten Grund nannte ich meine Besorgnis, sie könne die Stadt verlassen, ehe mir Gelegenheit zu einer offiziellen Einführung bei ihr geboten werde. Ich schloß diese begeistertste aller Episteln mit einer freimütigen Darlegung meiner äußeren Umstände – meines Reichtums – und mit dem Anerbieten von Herz und Hand.
    In wahrer Todesangst sah ich der Antwort entge gen. Nachdem ein Jahrhundert verflossen zu sein schien, kam sie.
    Ja, sie kam. So romantisch es scheinen mag, ich bekam tatsächlich von Madame Lalande einen Brief – von der schönen, der wohlhabenden, der angebeteten Madame Lalande. Ihre Augen – ihre prachtvollen Augen – hatten ihr edles Herz nicht Lügen gestraft. Als echte Französin, die sie war, ließ sie sich von dem Freimut ihres Geistes, vom edlen Impuls ihrer Natur leiten und setzte sich über die konventionelle Prüderie hinweg. Sie verschmähte meinen Antrag nicht. Sie hüllte sich nicht in Schweigen. Sie schickte meinen Brief nicht uneröffnet zurück. Sie beantwortete ihn sogar mit einem von ihren eignen holden Fingern geschriebenen Brief. Er lautete so:
    »Mr. Simpson vird fersein mier fuer nict ausuebn der shoenn Sprac von seine lant so goutt als solte sein. Es ise ers kuerzlig das ic bin komen un ab jez nog nic geab der guelegueneit fon zu ir – l‘étudier.
    Mit disen Enshoultigoung fur du manière, ic vill hélas! – Monsieur Simpson guerat at nur nun sag das, ßou vahr. Ise noetic ic Sagen meer? Hélas! ab ic shon ßou vill sagen meine Err?
    Eugénie Lalande«
    Dieses edelsinnige Briefchen küßte ich tausendmal und beging in Freude darüber zweifelsohne unzählige andere Dummheiten, die jetzt meinem Gedächtnis entfallen sind. Noch immer wollte Talbot nicht zurückkehren. Ach, hätte er nur die leiseste Ahnung gehabt, welche Qualen seine Abwesenheit seinem Freunde brachte – würde seine mitfühlende Seele nicht sofort zu meiner Befreiung herbeigeeilt sein? Jedoch, er kam nicht. Ich schrieb. Er erwiderte. Er sei durch dringende Geschäfte zurückgehalten, komme aber bald wieder. Er bat mich, nicht ungeduldig zu sein, meine Aufregung zu mäßigen, beruhigende Lektüre zu wählen, keine stärkeren Getränke als Limonade zu genießen und die Tröstungen der Philosophie zu Hilfe zu nehmen. Der Narr! Wenn er nicht selber kommen konnte, warum konnte er mir nicht vernünftigerweise einen Empfehlungsbrief beilegen? Ich schrieb wieder und ersuchte ihn, sogleich einen zu senden. Mein Brief wurde mir von seinem Diener mit folgender Bleistiftnotiz zurückgesandt. Der Schurke hatte sich zu seinem Herrn aufs Land hinausbegeben.
    »Hat S ... gestern verlassen, unbekannt wohin – hat nichts darüber gesagt – auch nicht, wann er zurückkommt – hielt es daher fürs beste, Brief zurückzugeben, da ich Ihre Handschrift kenne und Sie es immer mehr oder weniger eilig haben.
    Ihr ergebener Taps«
    Es ist überflüssig, zu sagen, daß ich hiernach Herrn und Diener zu allen

Weitere Kostenlose Bücher