Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
und eine Prachtwohnung in Berkeley Square leisten, solange wir leben.«
Den Rest des Tages lasen sie abwechselnd, und Julius, der ein hervorragendes Gedächtnis hatte, merkte sich die wichtigsten Tatsachen. Als seine Taschenuhr zehn zeigte, gingen sie zu Bett, nachdem sie ihren Fund wieder in dem Schreibtisch verborgen hatten.
Das Entlüftungssystem ihres Kerkers war wirklich bewunderungswürdig. Selbst in dem abgelegenen Raum, in dem sie schliefen, war die Luft stets rein. Sie wurde durch eine Leitung zugeführt, die an den Wänden und Gewölben des Raumes entlanglief. Diese Tatsache war Julius nicht entgangen, und er empfand Respekt und Hochachtung vor Bellamys Leistungen.
»Es muß ihm unheimlich viel Zeit gekostet haben, diesen Kerker so auszustatten« sagte er, als er in seinem Bett lag und zu der Steindecke emporstarrte, die sich über ihm wölbte. »Er hat doch tatsächlich alles allein gemacht. Der Pförtner erzählte mir, daß er monatelang in dem Schloß beschäftigt war, bevor er irgendwelche Dienstboten anstellte oder die Burg möblierte. Bellamy ist schlau, und er hat ja auch seine Laufbahn als Maurer begonnen. Vermutlich fiel es ihm bei seiner ungewöhnlichen persönlichen Körperkraft nicht schwer, die Änderungen am Gebäude ohne fremde Hilfe vorzunehmen.«
Fay saß vor dem Toilettentisch und manikürte sich in aller Ruhe.
»Julius, weißt du, was ich denke?« fragte sie.
»Das würde ich manchmal gerne wissen.«
»Ich glaube, wir sind erst die ersten von den Leuten, die Bellamy hier einsperren will. Dieses eiserne Gitter, das in die unteren Kerker führt, ist mit einer ganz bestimmten Absicht hier angebracht worden. Er ist darauf aus, noch andere zu fangen, und wir brauchen uns wohl keine Sorge über Lebensmitteleinteilung zu machen.«
»Warum nicht?« fragte Julius überrascht.
»Wenn erst die anderen Gefangenen ankommen, wird Bellamy ein Geschäft hier einrichten und das Billigste, was zu haben ist, wird das Leben von Mr. und Mrs. Savini sein.« Savini schüttelte sich vor Furcht.
»Was meinst du damit?« fragte er heiser.
»Ich meine es genau so, wie ich es sage. Er hat dich in der Falle gefangen und mich auch. Er ist auf das große Ende vorbereitet, und es wird ihm sehr leicht sein, da Coldharbour Smith tot ist. Er hat nur noch mit mir, mit dir, mit Lacy und Featherstone zu rechnen –«
»Und mit Miss Howett« ergänzte Julius nach einer Pause.
»Ich mußte an sie denken, aber ich weiß nicht genau, was er gegen sie haben könnte. Sicherlich will er sie nach Garre Castle bringen und vielleicht tut er das auch.«
Fay hatte einen leisen Schlaf, das geringste Geräusch weckte sie sofort auf.
Julius fühlte plötzlich, daß er leise an der Schulter berührt wurde und sich eine Hand auf seinen Mund legte.
»Mache keinen Lärm« flüsterte Fay und nahm ihre Hand fort.
»Was ist los?« fragte er ebenso vorsichtig.
»Draußen ist jemand.«
Julius tastete nach der Pistole unter seinem Kissen, erhob sich lautlos und öffnete die Türe. Er hatte die sechs Lampen brennen lassen, aber nun waren sie alle mit Ausnahme einer einzigen ausgelöscht und der unterirdische Raum lag im Dunkel. Behutsam spähte er umher, aber er konnte niemand entdecken. Und doch mußte jemand hier gewesen sein und die Lichter ausgemacht haben. Von seinem Standpunkt aus konnte er die Tür sehen, durch die ihn Bellamy damals hereingestoßen hatte, und während er noch darauf hinstarrte, hörte er, daß sie leise einschnappte.
»Es war Bellamy« sagte er bitter, als er in das Schlafzimmer zurückkam. »Wenn ich das nur vorher gewußt hätte – warum hast du mich nicht eher geweckt?«
»Ich hörte das Geräusch und habe dich sofort angestoßen. Bist du denn sicher, daß es Bellamy war?«
Er antwortete nicht, sondern packte sie nur krampfhaft am Arm und machte eine Bewegung, daß sie schweigen sollte. Dann lauschten sie angestrengt und hörten, wie sich die steinerne Tür in der Bibliothek schloß.
»Es war also doch Bellamy« sagte Julius und ging wieder in den größeren Raum hinaus, um den Grund für diesen nächtlichen Besuch zu entdecken.
Er steckte die Gaslampen wieder an und hoffte, daß der Alte einen Brief zurückgelassen hätte. Aber es war nichts davon zu sehen.
»Warum mag er nur gekommen sein?« fragte er.
Fay gähnte und schüttelte den Kopf.
»Ja, warum macht er das alles – wie spät ist es, Julius?«
»Fünf Uhr. Ich bin eigentlich nicht mehr müde und möchte nicht mehr zu Bett gehen, Fay.
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