Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
tun.
»Geister – sagten Sie nicht eben etwas von Geistern? In dieser Gegend gibt es sehr viele Geister und Gespenster. Erst vor einigen Tagen ist wieder ein neues im Klosterwald aufgetaucht, wie die Leute erzählen. Einer meiner Fuhrleute hat es gesehen, und seit der Zeit ist er ganz krank.«
»Donnerwetter« sagte Spike. Der Grüne Bogenschütze war ja auch eine Legende; die hier schon lange im Volk existierte. Spike hatte allerdings seine drei letzten Vermutungen längst wieder aufgeben müssen. »Viele Leute hier behaupten, sie hätten den Grünen Bogenschützen gesehen.«
Der alte Mann lachte heiser.
»Dieses neue Gespenst ist aber nicht grün – auch ist es eine Frau. Mein Fuhrmann hat es aus der Nähe gesehen. Es hat ihn ganz aus der Fassung gebracht! Er war so verstört –«
»Wo liegt der Klosterwald?« fragte Spike, dessen Interesse in hohem Maße erwacht war.
»Wenn Sie auf der Landstraße gehen, dann sind es sechs Meilen. Aber wenn Sie Ihren Weg über das Mönchsfeld nehmen und die Adderley Road entlang gehen, ist es besser. Es soll ein verwunschenes Haus im Walde liegen. Es scheint niemand dort zu wohnen, aber doch ist immer jemand in der Nähe.«
»Mir können Gespenster nichts anhaben, mein lieber Mann« sagte Spike.
Der alte Mann schüttelte den Kopf.
»Das wollte ich auch nicht behaupten. Was mir am meisten auffällt, sind die Spuren eines großen Autos, die ich in der Gegend gesehen habe. Es ist kein Ford, es muß viel größer sein. Irgend jemand geht und kommt immer in einem großen Wagen.«
»Meinen Sie zu dem Hause? Hat man das Auto gesehen?«
»Nein. Aber nahe bei dem Hause auf demselben Grundstück liegt eine Scheune, und ich sah, daß die Spuren an einem feuchten Morgen, als der Boden weich war, gerade zu der Scheunentür führten.«
»Seit wann ist die Frau dort gesehen worden?«
»Ich habe noch nichts von ihr gehört bis zum letzten Sonnabend – da hat sie eben mein Knecht gesehen. Es war ganz früh am Morgen, als er durch den Wald ging, um zu meiner Farm zu kommen. Sie müssen nämlich wissen, daß ich Caddle Heath nun seit fünfundfünfzig Jahren bewirtschafte, und vor mir hat es mein Vater schon gehabt. Nun ja, also mein Fuhrmann heißt Tom – er ging so vor sich hin und dachte an nichts, als er plötzlich diese Frau sah. Er wäre beinahe vor Furcht umgefallen. Sie ging durch den Wald und weinte. Tom hat mir gesagt, er hat ganz genau gesehen, daß sie ein Geist ist. Dann ist er davongelaufen wie ein Hase.«
»War das in der Nähe des Hauses, von dem Sie eben sprachen?«
»Ja. Deshalb habe ich Ihnen die Sache erzählt. Später überlegte ich mir, daß sie wahrscheinlich dort wohnen wird.«
Spike war in einer so verzweifelten Lage, daß er nach jedem Strohhalm griff, um seine weitere Anwesenheit in Garre zu rechtfertigen. Er hatte am Telephon seinem Redakteur nur die Wahrheit gesagt, als er ihm erzählte, daß er eine Entwicklung des Dramas in der Burg erwartete. Obgleich er rings um Garre Castle nur das gewöhnliche Alltagsleben sah, hatte er es doch in den Fingerspitzen, daß wichtige Ereignisse kommen würden. Wenn er diese Geschichte hätte aufgeben müssen, die er so liebevoll seit langer Zeit verfolgt, großgezogen und bemuttert hatte, so hätte ihm das den Rest gegeben.
Aber selbst unter diesen Umständen schien ihm die weinende Frau in dem Walde eine recht unbedeutende Angelegenheit zu sein. Trotzdem machte er sich auf, um in den Klosterwald zu gehen. Schließlich entdeckte er, daß es nicht einmal drei Meilen waren, als er den Richtsteig benützte, den ihm der alte Farmer angegeben hatte. Es war ein frischer Tag, Winterkälte lag in der Luft, und der schnelle Spaziergang war für ihn ein Vergnügen. Er war eher an seinem Ziel angekommen, als er erwartet hatte.
Der Wald war meistens eingezäuntes Privateigentum. Aber der Besitzer schien sich wenig um die Instandhaltung der Einfriedigung zu kümmern. Spike hätte leicht über den an manchen Stellen zusammengebrochenen Zaun hinübersteigen können. Dahinter lag nur dichtes Gehölz von Brombeerhecken, Sträuchern und niedrigen Föhren.
Von der Straße aus war das Haus nicht zu sehen. Schließlich entdeckte er es an der Ecke einer besonderen Zufahrtsstraße, die im rechten Winkel von der Hauptstraße abbog.
Der Weg hieß zwar ein Fahrweg, doch hatten Wagen ihn seit langen Jahren nicht mehr benützt. Die einzigen sichtbaren Radspuren waren die Eindrücke der Pneumatiks eines großen Autos, die ganz frisch waren,
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