Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
erstaunt auf.
»Was meinst du?« fragte er verwundert.
»Ich möchte ein Landhaus haben« wiederholte Valerie.
Sie sah müde und blaß aus, schwere schwarze Schatten lagen unter ihren Augen, und er bemerkte eine Abgespanntheit und Müdigkeit an ihr, die ihm Sorge machte.
»Ich habe einen wunderbaren, alten Landsitz besichtigt, er ist nicht weit von London entfernt und hat nur den Nachteil, daß er an die Besitzung Abel Bellamys grenzt.«
»Aber meine Liebe, ich habe doch in Amerika verschiedenes zu erledigen und kann während des Winters nicht in England bleiben! – Aber vielleicht läßt es sich doch einrichten« meinte er dann. »Wo liegt es denn?«
»In Garre – es heißt Lady’s Manor und ist ein alter Witwensitz, der früher zu der Burg gehörte. Das Haus muß allerdings gründlich renoviert werden.« Sie sah auf ihren Teller und fuhr dann geschickt fort: »Ich dachte, das wäre gerade ein Platz für dich, lieber Vater, wenn du dein Buch schreiben willst.«
Mr. Howett träumte davon, eine politische Geschichte Englands zu schreiben. Er plante dieses Buch schon seit zwanzig Jahren und hatte bereits umfangreiche Vorarbeiten dafür gemacht. Die Tatsache, daß schon mehrere gute Werke über dieses Gebiet erschienen waren, schreckte ihn nicht ab, sondern spornte ihn höchstens zum Wetteifer an. Er strich sich nachdenklich über die Haare.
»Das Haus liegt so ruhig und friedvoll – ich bin sicher, Vater, daß du das Buch niemals schreiben wirst, wenn du nach Amerika zurückkehrst, wo du von deinen Geschäften vollständig in Anspruch genommen wirst. Und es ist doch auch ganz klar, daß du es in einer so unruhigen Stadt wie London nicht schreiben kannst. Hier ist es doch ebenso schlimm wie in New York.«
»Du sagst, es ist sehr still dort?« fragte Howett schon halb überzeugt.
»Es ist eine bezaubernde Ruhe dort« sagte sie lebhaft.
»Es ist eigentlich keine schlechte Idee von dir, Valerie.« Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und schaute zur Decke empor. »Und schließlich ist es ja auch gut für dich – wirklich, wenn ich es mir länger überlege, ist es keine schlechte Idee. Ich werde nach New York kabeln und zusehen, ob ich die Sache nicht anders ordnen kann. – Sage mal, fürchtest du dich eigentlich vor Geistern?« fragte er dann etwas unvermittelt und lächelte.
»Nein, ich fürchte mich nicht« sagte sie ruhig. »Wenn du damit etwa den Grünen Bogenschützen meinen solltest.«
»Das ist eine ganz merkwürdige Sache.« Mr. Howett schüttelte den Kopf. »Ich kenne Bellamy nicht, aber wie ich gehört habe, scheint er sich vor nichts in der Welt zu fürchten, es sei denn vor dem Besuch eines Steuerbeamten.«
»Bist du ihm niemals begegnet?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe persönlich noch nichts mit ihm zu tun gehabt. Ich sah ihn oft genug, er wohnte ja hier im Hotel. Ich mag ihn nicht und vor allen Dingen kann ich seinen Sekretär mit dem fahlen, gelben Gesicht nicht leiden.«
Sie erhob sich, und er eilte an ihre Seite, um sie zu stützen, als sie den Raum verließ.
»Valerie, du mußt einen Arzt wegen deines verrenkten Fußgelenks zu Rate ziehen.«
»Ach, das wird heute schon wieder besser werden. Ich werde mich hinlegen, nichts tun und keinen Besuch empfangen.«
Lachend lehnte sie seine Hilfe ab und ging allein zu ihrem Zimmer, obwohl sie sich ein wenig schwach fühlte. Am Vormittag meldete sich ein Besuch, und Mr. Howett klopfte an die Tür seiner Tochter.
»Captain Featherstone ist hier – er sagt, daß er dich sprechen möchte. Kann er nähertreten?«
»Wenn er verspricht, recht ruhig zu sein« kam die Antwort. »Ich bin gerade nicht in der Stimmung, mir Vorhaltungen machen zu lassen.«
»Warum in aller Welt sollte er dir denn Vorhaltungen machen?« fragte ihr Vater erstaunt.
»Laß ihn hereinkommen!«
Jim Featherstone betrat Valeries Zimmer auf Zehenspitzen mit einer solchen Vorsicht, daß sie ihn hätte schlagen mögen.
»Es ist sehr traurig, Sie so liegen zu sehen« begann er. »Bitte schmollen Sie nicht, Miss Howett, ich bin gekommen, um Ihnen meine Teilnahme auszusprechen.«
Mr. Howett ging ins andere Zimmer zurück und schrieb ein Telegramm.
»Wo waren Sie vorige Nacht?« fragte Featherstone, als sie allein waren.
»Im Bett« antwortete sie prompt.
»Und die Nacht vorher?«
»Auch im Bett.«
»Würden Sie mich für zudringlich halten, wenn ich mir die Frage erlaube, ob Sie im Traum nicht jener düsteren Gegend von Limehouse einen Besuch abstatteten,
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