Edorei und die Tochter des Zauberers (German Edition)
Taille. Die nackten Füße waren schmal, nur die Zehen unverhältnismäßig groß. Vier Stück an jedem Fuß. Die dünnen Schenkel steckten in braunen abgerissenen Hosen. Der Körper war wesentlich länger als die Beine. Er trug ein grobes Hemd und ein schlichtes Wams. Auf einem dünnen Hals schaukelte ein großer Kopf. Doch das Bemerkenswerteste an dem Geschöpf waren seine Augen. Groß und grün starrten sie Zoe an. Sie wusste selbst nicht, woher sie den Mut nahm zu fragen:
„Was machst du hier?“ Ihre Stimme klang barsch und unfreundlich und das eigenartige Wesen senkte beschämt den Blick.
Beinahe tat es ihr Leid, das sie den kleinen Kerl so angefahren hatte, als sie sich der Unwirklichkeit dieser Situation bewusst wurde.
„Wir wollten Euch nicht stören, oh Herrin“, antwortete er mit leiser Stimme, die entfernt an das Maunzen einer Katze erinnerte.
„Wir?“, fragte Zoe verständnislos. Da sah sie aus dem Augenwinkel, wie ein weiteres Geschöpf aus der Küche kam und dann noch eins unter dem Tisch hervor krabbelte. Sprachlos starrte sie von einem zum anderen und begann langsam an ihrem Verstand zu zweifeln.
„Herrin.“ Die beiden hinzugekommenen Kreaturen verbeugten sich demütig vor ihr.
Das Wesen, das aus der Küche gekommen war, richtete als Erstes wieder seinen Blick auf sie und etwas, das wohl ein Lächeln sein sollte, breitete sich um seinen schmallippigen Mund aus. Spitze unregelmäßige Zähne kamen zum Vorschein.
„Ich bitte demütigst, uns zu vergeben, Herrin“, sagte er bescheiden. „Wir kennen uns nicht sehr gut aus in dieser Welt, darum konnten wir nicht ahnen, dass der Nieswurz hier nicht neben dem Schellkraut aufbewahrt wird.“
Zoe zog verständnislos die Augenbrauen zusammen. Sie verstand kein Wort. Nieswurz, Schellkraut. Wovon redete der Zwerg.
„Schellkraut?“, fragte sie und kam sich völlig idiotisch vor.
„Nein, das Schellkraut haben wir leider auch nicht finden können, obwohl wir auf dem obersten Boden des nach Osten zeigenden Schrankes nachgesehen haben.“
Klang da ein Vorwurf in seiner quietschenden Stimme?
„Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen? Wovon zum Teufel sprecht ihr? Wer zum Teufel seid ihr?“
Nun verneigten sich alle drei so tief vor ihr, dass sie befürchtete, ihre übergroßen Köpfe würden sie zu Boden reißen.
„Krazug, Brendas, Herdis“, antworteten sie im Chor. „Die Weise Isbilde schickt uns.“
„Und was seid ihr?“, fragte Zoe.
Nun sahen die Wesen sie erstaunt an. So erstaunt, als hätte man ihnen noch nie in ihrem Leben, eine solche Frage gestellt.
„Kräuterwichte, Herrin. Wir sind die Diener der Weisen Isbilde.“
„Und wer zum Kuckuck ist diese Isbilde?“ zischte Zoe ungehalten.
Die drei Wichte tauschten einen vielsagenden Blick, was bei ihren großen Augen äußerst eindrucksvoll war und Zoe unmissverständlich klar machte, wie unwissend sie war.
„Ihr kennt die Weise Isbilde nicht“, fragte der wortführende Wicht ungläubig. Langsam wurde Zoe dieses Theater zu bunt. Sie hatte es satt sich in ihrer eigenen Wohnung, wie einen Volltrottel behandeln zu lassen und das von Wesen, die auf dieser Welt noch kein Mensch gesehen hatte. Zornig straffte sie ihre Schultern.
„NEIN! Ich kenne keine Isbilde“, rief sie aufgebracht. „Und ganz sicher habe ich noch nie so eigenartige Kreaturen wie euch drei gesehen. Kein Mensch hat das.“
Erschrocken wichen die Wichte ein Stück zurück, doch die Wohnung war zu klein, als das sie weit ausweichen könnten.
Sie taten Zoe leid, wie sie da mit schreckensweiten Augen vor ihr standen. Unvorbereitet zum Unterricht erschienene Schüler. Aber sie hatte keine Zeit, keine Lust und keine Nerven sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Sie hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, nur wenige Stunden Schlaf zur Verfügung und morgen einen nicht weniger harten Tag vor sich. Alles was sie wusste, war, dass diese Wesen ihr den Schlaf raubten.
„In meinem Küchenschrank befindet sich weder Nieswurz noch Schellkraut und jetzt schaut, dass ihr hier verschwindet, und zwar plötzlich.“
Während zwei der Wichte völlig verstört zu Boden sahen, musterte sie der dritte vorsichtig von unten und flüsterte scheu.
„Wir können nicht verschwinden, Herrin. Nicht ohne den Nieswurz.“ Schimmerten da Tränen in seinen Augen? Wenn der jetzt aus diesen großen Kulleraugen zu weinen begann …
„Wieso?“, hörte sich Zoe mitfühlend fragen.
„Wegen dem Zaubertrank“, antwortete nun
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