EduAction: Wir machen Schule (German Edition)
Zwischenergebnisse wir einer breiten Öffentlichkeit hiermit zugänglich machen wollen. Über die für jeden Lernprozess typischen Schleifen von Versuch und Irrtum kristallisierte sich an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum (esbz) aus Sicht der beteiligten Lehrer, Schüler und Eltern und von externen Beobachtern Zug um Zug eine Form konkret sich vollziehender Potenzialentfaltung heraus. Parallel dazu wurde immer nachdrücklicher der Wunsch artikuliert, die Erfahrungen an der esbz weiterzugeben. Dies geschah in einem ersten Schritt über Vorträge, auf die im zweiten Schritt schon bald Lehrerfortbildungen durch Schüler der esbz folgten, an denen in kurzer Zeit bereits mehr als 3000 Lehrer teilgenommen haben. Der dritte Schritt ist nun dieses Buch.
Innovationen gibt es selbstverständlich nicht nur an der esbz, wir selbst haben uns bei einigen der realisierten Bildungsinnovationen auf andernorts entwickelte Neuerungen gestützt. Wichtiger, als die Urheberschaft der Innovationen zu klären, erscheint uns jedoch zu erkunden, wie die bereits überaus faszinierende und lernstarke, gleichwohl noch recht fragmentarische Landschaft von Potenzialentfaltungsprojekten und -schulen aussieht und, noch wichtiger, wie es gelingen kann, auf der Basis der bereits gesammelten Erfahrungen und Beispiele eine Schule nach der anderen neu zu erfinden. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit anderen Interessierten das Education Innovation Lab an der Humboldt-Viadrina School of Governance ins Leben gerufen. Was sich dort entwickelt, ist Thema am Ende dieses Buches.
Margret Rasfeld und Peter Spiegel
Berlin, Februar 2012
Einführung
von Gerald Hüther
Jeder Erwachsene, dem die Zukunft unserer Kinder am Herzen liegt, wird sich schon oft genug gefragt haben, weshalb unsere Schulen – nicht alle, aber doch noch immer viel zu viele – nicht so sind, wie sie eigentlich sein sollten. Es ist doch nicht normal, dass Kinder den größten Schatz, den sie mit auf die Welt bringen, ihre unglaubliche Entdeckerfreude und Gestaltungslust, ihre Offenheit und Lebensfreude, ausgerechnet dort verlieren, wo er sich eigentlich besonders gut entfalten sollte. Inzwischen ist es so weit gekommen, dass sogar Grundschüler nicht mehr in die Schule gehen wollen oder gar krank werden, weil sie dem dort herrschenden Leistungsdruck und dem Tempo nicht mehr gewachsen sind, mit dem sie auf die Anforderungen der weiterführenden Schulen vorbereitet werden sollen. Wer Bedenken gegenüber diesen Entwicklungen vorbringt, dem wird erklärt, für die Zukunftsfähigkeit unserer Kinder und der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes sei es in einer globalisierten Welt notwendig, die Effizenz unseres Bildungssystems ständig zu verbessern und den Schülern in immer kürzerer Zeit immer mehr beizubringen. In einer vom wirtschaftlichen Wettbewerb getriebenen Welt müssten Kinder eben lernen, sich anzustrengen. Je früher, desto besser. Dieser Argumentation haben viele Eltern und sogar die meisten Pädagogen kaum etwas entgegenzusetzen.
Niemand hat aber bisher berechnet, wie groß der Verlust ist und wie viele Euro es kostet, wenn auch nur einem einzigen Kind im Verlauf der Schulzeit seine angeborene Lust am Entdecken und Gestalten und die Freude am Lernen geraubt werden. Wenn es dann als Jugendlicher »null Bock« auf Schule und eine spätere Ausbildung hat, keinen Beruf erlernt, sich als Sozialfall durchschlägt oder womöglich drogensüchtig und kriminell wird. Oder wenn jemand den Rest seiner Schulzeit nur noch absitzt und am Ende einen Beruf erlernt, den er nur widerwillig ausübt, der seinen Frust zu Hause an Frau und Kindern ablässt, sich betrinkt und mit 50 Jahren eine neue Leber braucht. Oder wenn all das, was in einem Kind an Möglichkeiten und Begabungen steckt, durch eine negative Schulerfahrung nicht zur Entfaltung kommt. Und stellen Sie sich vor, dass das nicht nur einzelne Jungen – und auch Mädchen – sind, die in der Schule die Lust am Lernen verlieren, sondern viele, sehr viele.
Vierzig Prozent der Schüler haben nach statistischen Erhebungen gegenwärtig Angst vor der Schule. Ahnen Sie, was alles das zusammen kostet? Vielleicht ist es aus »guten« Gründen noch nie berechnet worden. Womöglich würde dann deutlich, dass die durch unser gegenwärtiges Schulsystem erzeugten Folgekosten erheblich größer sind als die für seine Aufrechterhaltung eingesetzten Mittel. Stellen Sie sich einen Betrieb vor, bei dem
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