Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse
irgendwann, aber er sagt es ganz leise. Ich hoffe noch, dass Karli es nicht gehört hat. Hat sie aber.
»Mit vollem Namen heißt er Edvard Gregory Walter de Vigny. Und jetzt ratet mal, ihr Spitzenhirnis, woher Gregory Walter kommt.«
Kugel und Noffi haben wohl etwas falsch verstanden, sie raten mit, als wären sie bei »Wer wird Millionär?«.
»Auch so ’n Maler?«
»Nee, vielleicht Politik?«
»Sport? Musik? Literatur?«
»Gib mal ’nen Tipp!«
Karli sagt: »Musik war schon etwas wärmer.«
Noffi schreit: »Rock ’n’ Roll! Rockabilly! Blues! Jazz! Sag stopp, wenn ich’s hab!«
»Weiter, weiter«, sagt Karli.
»Heavy Metal! Glam Rock! R&B ! Pop! Musical! Oper!«, schreien Noffi und Kugel durcheinander. Ratte und Piesel greifen sich an die Köpfe.
Karli hilft ein bisschen, aber es dauert eeewig, bis jemand »Sänger von Bad Religion!« ruft.
Und dann haben sie auch schon wieder vergessen, warum sie ihn erraten sollten. Karli sagt es ihnen.
Und seitdem singen diese Dreckspunker immer ein Lied von Bad Religion, wenn sie mich sehen! Mehrstimmig auch noch!!!
Zum Glück muss ich nicht mit denen in einem Zimmer schlafen. Sie übernachten nämlich auch hier.
Das Haus ist ja echt groß, er hat ein Zimmer für Arthur und mich, eins für Karli, und Piesel pennt mit seinem Bruder und den anderen im Wohnzimmer.
Mittwoch, 21.9., 10:00 Uhr
Habe Constanze geschrieben:
»Liebe Constanze, danke für deine vielen Nachrichten. Entschuldige, dass ich nicht schon früher geantwortet habe, aber es war eine anstrengende Zeit, und es gab viel zu tun. Natürlich habe ich oft an dich gedacht.« (Ich war mir mit diesem Satz nicht so ganz sicher, aber dann hab ich ihn doch dringelassen, weil ich dachte, ein bisschen was muss ja auch wahr sein.) »Wir haben uns im engsten Kreis von Jason verabschiedet und werden noch sehr lange sehr traurig sein. Ich bin beeindruckt von den vielen Menschen, die dank deiner Facebook-Seite an ihn denken. Aber du musst wissen, dass wir uns an den Ärzten nicht rächen wollen. Sie haben sicherlich ihr Bestes gegeben. Wir haben ihnen verziehen. Ich danke dir für deine Freundschaft! Dein James.«
Sie hat es zwei Minuten später kopiert und auf die Seite gestellt. So viel zum Thema »Privatnachricht«. Aber vielleicht hört das Theater jetzt endlich auf, wenn alle wissen, dass Jasons Familie da entspannt ist.
Warum hat sie eigentlich im Unterricht Zeit, ihre Facebook-Nachrichten zu lesen? Wenn ich ihr eine SMS geschrieben habe, hat sie die nie gleich gelesen!
Mittwoch, 21.9., 11:02 Uhr
Ratte, Noffi und Kugel sitzen mit Tannenbaum in der Küche und reden über Polynomfunktionen (?), als hätten sie sonst nichts zu tun.
Mittwoch, 21.9., 11:38 Uhr
Die Polizei ist da! Sie reden mit Tannenbaum. Er lässt sie nicht ins Haus, sie stehen draußen im Garten.
Mittwoch, 21.9., 11:40 Uhr
Tannenbaum hat den Bullen die Tür vor der Nase zugeknallt. Ratte, Noffi und Kugel stehen auf dem Balkon und applaudieren. Die Bullen sehen ziemlich angepisst aus. :-)
Jason hat jetzt über zweihunderttausend Fans auf Facebook.
Mittwoch, 21.9., 22:42 Uhr
OMG ! Ich kann nie wieder – NIE WIEDER ! – aus dem Haus gehen. Eigentlich kann ich nie wieder aus diesem Zimmer. Vielleicht schließe ich mich im Bad ein und warte, bis ich verhungert bin oder so. Es ist etwas TOTAL SCHRECKLICHES passiert!
Ich traue mich gar nicht, es aufzuschreiben.
Ich habe extra sämtliche Passwörter für mein Blog erneuert, damit es unmöglich zu hacken ist.
Ich trau mich trotzdem nicht.
Vielleicht ist es doch keine schlechte Idee, Sachen mit der Hand zu schreiben.
Obwohl, dann findet das jemand und kann es noch leichter lesen als ein dreifach gesichertes Blog mit hochkomplizierten Passwörtern.
Ich könnte den Chaos Computer Club anmailen und fragen, ob sie mal versuchen wollen, mein Blog zu hacken, dann weiß ich wenigstens, ob es sicher ist. Aber wenn sie’s dann gehackt haben, können sie es ja auch lesen … Das ist mir zu unsicher.
Okay. Mein Blog wurde noch nie gehackt. Ich glaube einfach mal dran, dass es das so schnell auch nicht wird. Gut. Von vorne.
Heute Abend: Meine Eltern kommen zum Essen rüber und haben – Achtung! – die Klassenlehrerin Frau Müller-Böhne im Schlepptau. Ich denke, ich falle tot um. Ichmeine, alle anderen sind jeden Tag in der Schule, aber ich habe doch eine Entschuldigung von meiner Mutter, und jetzt kommt Frau Müller-Böhne und sieht, dass ich gar nicht krank bin!? Geht’s noch?
Mama
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