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Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse

Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse

Titel: Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Beck
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Schulhof schmiert.
    Jetzt sprühen wir » DIESES HAUS IST BESETZT « auf das Laken und hängen es Herrn Tannenbaum an den Balkon. Leider sieht Piesels H ein bisschen wie ein M aus, aber ich denke, so im Kontext wird schon klar, was gemeint ist. Jedenfalls, Herr Tannenbaum steht daneben und sieht zu und ist ganz schrecklich gerührt. Ich glaube, er weint sogar ein bisschen. Und dann sagt er: »Jungs, was haltet ihr von einem Kartoffelsalat mit Würstchen, so als Hausbesetzungseinweihungsessen?«
    Wir rufen schnell noch Arthur und Karli an, und natürlich taucht auch Anselm auf, sogar vor den anderen. Kurz darauf kommt meine Mama, die sofort geblickt hat, was los ist. Sie hat Schlafsäcke, Isomatten und Decken dabei.
    »Wenn schon, dann richtig«, sagt sie, und Herr Tannenbaum ist ein bisschen überrascht. Vor allem, als sie sagt, sie würde mitmachen und auch hier schlafen.
    Als ich nach Papa frage, nuschelt sie nur was von »verintellektualisierter Kulturbetriebsspießer«. Und macht dazu ein Gesicht, das ich schon kenne. Es bedeutet: »Frag einfach nicht.«
    Jasons Gedenkseite hat jetzt schon achtzigtausend Fans.

Montag, 19.9., 20:19 Uhr
    Mama hat gesagt, sie hält die Stellung, während wir in der Schule sind. Das hat sie auch. Vielleicht hat sie dabei ein bisschen übertrieben, jedenfalls hingen aus jedem einzelnen Fenster Bettlaken mit Sprüchen, als ich mit Karli, Piesel, Arthur und Anselm aus der Schule kam.
    (Alle dürfen übrigens bei Herrn Tannenbaum übernachten, außer Anselm, der muss jeden Abend um neun zu Hause sein. Eigentlich schon um acht, aber er konnte seine Eltern von der guten Sache überzeugen und hat deshalb eine Extrastunde bekommen. Er hat ihnen wohl so was gesagt wie: »Das ist ein für meine persönliche wie auch politische Entwicklung wichtiger Feldversuch, eine Erfahrung, die sich nicht ohne Weiteres replizieren lässt. Deshalb wäre ich sehr dankbar, wenn ich daran so umfassend wie möglich teilhaben könnte.« Da will ich gar nicht wissen, wie die sich zu Hause unterhalten. Wahrscheinlich sagt er noch »Sie« zu seinen Eltern!? (»Herr Vater, dürfte ich mal bitte das Salz …«))
    Jedenfalls, die Bettlaken hat Mama alle mit Sprüchen vollgesprüht: » EIN HAUS GEHÖRT DEM, DER DRIN WOHNT «, » KAPITALISMUS MACHT OBDACHLOS «, » BESETZEN STATT BESITZEN « und » WIR BLEIBEN! RÄUMUNG = KRAWALLE !«
    Vor letzterem steht sie gerade – sie hat es erst mal nur aus einem der hinteren Fenster im Erdgeschoss gehängt – und kratzt sich am Kopf: »Vielleicht geht das ein bisschen zu weit«, meint sie.
    »Warum?«, frage ich.
    »Na, ihr seid alle noch nicht volljährig. Ich will euch ja nicht auf dumme Gedanken bringen.« Sie nimmt dasLaken ab und dreht es um. Dann sprüht sie ein großes A drauf und macht einen Kreis herum.
    »Wow, Anarchie«, sage ich. »Das kennst du?«
    »Ich hab’s erfunden«, behauptet sie. Sie zeigt auf das Laken. »Sieht ein bisschen leer aus.«
    »Schreib doch irgendwas mit TANNENBAUM , dann kannst du gleich um zwei As einen Kreis machen«, sage ich, und sie macht es und sagt: »Edvard, das hast du von mir. Wir sollten besser mal alle Steine vor dir verstecken.«
    »Steine?«, frage ich.
    »Weißt du, als wir früher … Vergiss es«, sagt sie.
    Als wir in der Schule waren, erfahre ich von Tannenbaum, kam wohl ein Umzugswagen vorbei, der seine Sachen abholen sollte. Aber als die Leute vom Umzugsunternehmen die Bettlaken gesehen haben (und natürlich Mama, die in der Tür stand und sehr böse geschaut hat, wie nur sie böse schauen kann), haben sie Gas gegeben und sind weitergefahren.
    Mama sagt, dass sie morgen wieder in die Galerie muss und zeigt mir eine Krankmeldung für die Schule.
    »Die bringe ich morgen früh bei deiner Klassenlehrerin vorbei«, sagt sie.
    Ich fasse es nicht, ich darf eine Woche lang bei Tannenbaum wohnen und muss nicht mal in die Schule, nur sein Haus besetzen! Wenn ich schon früher gewusst hätte, dass Häuser besetzen ein echt cooler Job ist! Krass. Weiß gar nicht, warum sich alle immer so darüber aufregen, wenn irgendwo Häuser besetzt werden. Ist doch nichts bei.

Dienstag, 20.9., 14:52 Uhr
    Piesels Bruder Ratte ist mit zwei Kumpels vorbeigekommen. Sie sagen, sie machen blau, und hätten gehört, dass man hier cool abhängen kann.
    Ich sitze gerade mit Herrn Tannenbaum in dem Zimmer mit den vielen Büchern. Er zeigt mir alte Sternkarten. Herr Tannenbaum macht erst ganz große Augen, weil sie noch viel härter aussehen als Piesel,

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