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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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ch bin in einer großen, weißen Villa Kunterbunt aufgewachsen, inmitten eines Apfelgartens. In der Seitenstraße einer Vorstadt mit Straßenbahn, Feuerwache und glücklichen Menschen.
    Vor ihrem Schlafzimmer hatten Mama und Papa eine Glasveranda, auf die ich durch ein kleines Fenster im Kinderzimmer klettern konnte. Das tat ich oft, wenn ich nicht schlafen konnte. In der immer nur angelehnten Verandatür hing eine dünne Gardine, durch die ich in ihr Schlafzimmer blicken konnte. Meine nächtlichen Spionagezüge erfüllten mich stets mit einem süßen, fremden Kribbeln und der Freude, unsichtbar zu sein.
    Eines Abends tanzten sie nackt in der Schattenwildnis de s S chlafzimmers. Weiche, brennende Körper, tröstende Hände und Lippen. Ich stand still da, verstand nichts, berauscht von der Magie des Augenblicks. Plötzlich wandte Mama ihr Gesicht zur Seite und sah mich direkt an. Sie lächelte. Aber sie kann mein Gesicht in den Falten der Gardinen nicht entdeckt haben, denn gleich darauf lehnte sie sich zurück und ertränkte Papa mit ihren Seufzern und Liebkosungen. Freud hätte mich sicher angebetet!
    ∗ ∗ ∗
    D raußen im Garten lag Papas Komposthaufen zwischen zwei alten Apfelbäumen. Der Kompost gab einen strengen Dunst ab, der gleichermaßen abstoßend und anziehend war. Bei Papas Beerdigung nahm ich am Rande des Grabes den gleichen Geruch war. Er traf mich wie eine Hand voll Erde und Sand. Die Sinne voll vom Dunst, der aus dem Dunkel des Grabes emporstieg, erkannte ich, dass der Geruch des Kompostes beides verspricht, Tod und neues Leben. Damals fand ich keine Worte dafür. Aber die Erkenntnis löste meine Tränen.
    Schon immer war ich offen für Gerüche. Deshalb verabscheute ich Keller, die nach Schimmel stanken und nach etwas Fauligem, Unbestimmbarem, Ekligem. Unter der morschen Klapptür zur Kellertreppe, die verborgen in der Wildnis hinter dem Haus lag, spannen die Spinnen friedlich ihre Netze. Die Nächte hingen wie klebrige Gardinen auf der Steintreppe. Wenn Papa durch die Brennnesseln watete, das Vorhängeschloss und die Läden öffnete, stimmten Millionen von Kreaturen in den stillen Schrei ein und hasteten in aller Eile vor dem blendenen Licht davon, während uns die unsichtbaren Giftwolken des Kellergestanks entg e genstiegen. Papa ließ sich nie etwas anmerken, aber ich wusste, was sich in dem feuchten, stinkenden Dunkel verbarg. Geister. Vampire. Werwölfe. Einäugige Mörder. All diese Gespenster, die die Fantasie eines Jungen beherrschen, wenn Winnie Pu und Christopher Robin draußen in der Sonne geblieben sind.
    Noch immer kann ich mir die Gerüche der Kindheit ins Gedächtnis zurückrufen. Zertretene Regenwürmer an Schlechtwettertagen. Erdbeereis. Sonnengewärmte Gummiboo te. Feuchte Frühlingserde. Mamas Parfüm und Papas Rasierwasser. Bagatellen, die in all ihrer Unwesentlichkeit eine Schatzkammer von Erinnerungen darstellen.
    Man kann nur froh sein, dass man kein Hund ist.
    ∗ ∗ ∗
    R oger, der Nachbar unter mir, ist ein Freund der Nacht. Er verabscheut das Licht. Wie ich. Seine Augen sind dunkel und lebensmüde. Er hat schulterlanges, schwarzes Haar und trägt an einer Silberkette ein auf den Kopf gestelltes Kruzifix um den Hals. Roger spielt Bass in einer Rockband, die sich Belzebubs Delight nennt.
    Ich klingle bei ihm und warte. Es dauert seine Zeit. Obgleich seine Wohnung nur fünfzig Quadratmeter groß ist, macht es immer den Eindruck, als störe man ihn irgendwo in den Katakomben einer alten Burg, aus denen er erst über lange mit Fackeln erleuchtete Gänge und steile Wendeltreppen nach oben hasten müsste.
    Roger ist ein guter Junge. In seinem Innern. Wie ich kapselt er all die bösen Gedanken ein. Sie schwären vor sich hin und schmerzen, bis die Beule aufbricht und das Hirn infiziert. Das sieht man am Blick.
    Weiß Gott, warum Roger mich mag.
    » Ui «, platzt er amüsiert heraus, als er schließlich in der Tür steht.
    » Hab ich dich geweckt? «
    » Macht nix. Hab genug geschlafen. Biste schon zu Hause? «
    » Ich hab dich so vermisst «, sage ich mit einem Grinsen.
    » Du Wühlmaus! «
    Im Flurspiegel erblicke ich mich selbst. Ich hätte mich umziehen und waschen sollen. Ich halte die Tasche mit dem Schrein hoch. » Kannst du für mich auf etwas aufpassen? «
    » Auf was denn? «
    » Eine Tasche. «
    Er verdreht die Augen. » Das sehe ich auch. Was is ’ n drin? «, fragt er lachend. » Heroin? «
    » Nur ein paar alte Sachen. Von früher. «
    Für Roger ist »

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