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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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früher « eine prähistorische Epoche voller Flugechsen, Grammofone und Männer mit gepuderten Perücken. So etwa 1975.
    » Wir haben ein Demoband aufgenommen. Willste mal hör ’ n? «
    Um ehrlich zu sein, würde ich das am liebsten nicht, aber ich bringe es nicht übers Herz, ihm das zu sagen. Stattdessen folge ich ihm ins Wohnzimmer. Die Gardine ist zugezogen. Im Licht der roten Glühbirnen erinnert das Wohnzimmer an eine Dunkelkammer. Oder einen Puff. Auf einem runden Mahagonitisch steht ein silberner Kerzenleuchter mit sieben schwarzen Kerzen. Ein riesiger Teppich ist mit einem Hexagramm dekoriert, um das ein Kreis gezogen ist. An den Wänden über dem Sperrmüllsofa und dem dreißig Jahre alten Teaktisch hängen Plakate, die Satan darstellen und beängstigende Szenen aus der Hölle. Roger kann einem etwas seltsam erscheinen, wenn er es sich gemütlich macht.
    In der Mitte der einen Längswand steht ein Turm von einer Stereoanlage wie eine Ikone, die Roger zu bestimmten Zeiten anbetet. Mit programmierbarem CD-Spieler, selbst suchendem Digital-PPL-Tuner, einem Verstärker mit Bass-Booster und Super Surround System, Equalizer, Doppel-Tape -D eck mit High-Speed-Dubbing und vier Bergen von Lautsprechern.
    Er wedelt mit der Fernbedienung herum. Die Anlage erwacht mit einem Feuerwerk von farbigen Dioden und zitternden Nadeln. Eine Schublade des CD-Spielers öffnet sich wie von Geisterhand. Sesam öffne dich. Er drückt auf den Play -K nopf. Und die Welt explodiert.
    ∗ ∗ ∗
    S päter am Abend, unter der Dusche, spüle ich mir mit dem eiskalten Wasser den Staub und den Schweiß ab und kühle die sonnengerötete Haut in meinem Nacken. Die Seife brennt in den Bläschen.
    Manchmal hat eine Dusche etwas Rituelles. Nach einem langen Tag will man alles wegwaschen, was unangenehm und schwierig war. Ich bin müde, aber ich glaube nicht, dass ich träumen werde.
    8
    MAMA HAT DIE EIGENSCHAFT, immer freundlich und wach zu klingen, selbst wenn man nachts um halb vier anruft.
    Es ist halb vier Uhr nachts.
    Ich habe Mamas Nummer gewählt. Es ist der Professor, der ans Telefon geht. Seine Stimme klingt wie in Schlaf gewickelt. Belegt. Sauer. So gesehen ist er menschlich.
    » Hier ist Bjørn. «
    » Was! «, bellt er. Er hat mich nicht verstanden.
    » Ich muss mit Mama reden! «
    Er verwechselt mich mit meinem Halbbruder. Steffen. Der nachts nie zu Hause ist. Dem es immer gelingt, ein Mädchen zu finden, das die Einsamkeit unter der Decke nicht aushält.
    Mit einem Grunzen reicht er ihr den schweren Marmorhörer. Bettzeug raschelt, als sich Mama und der Professor im Bett aufrichten.
    » Steffen? Was ist denn los? «
    Mamas Stimme. Es ist wie immer. Sie hört sich an, als habe sie wach und gut gelaunt im Bett gesessen und auf einen Anruf gewartet. In ihrem roten Abendkleid. Mit langsam trocknendem Nagellack, Lidschatten und frisch geföhnten Haaren. Mit der Stickerei im Schoß und ihrem kleinen Glas in Reichweite.
    » Ich bin es nur «, sage ich.
    » Lillebjørn? « Ein Anflug von Panik. » Ist etwas passiert? «
    » Ich … tut mir Leid, dass ich euch geweckt habe. «
    » Was ist los? «
    » Mama … es ist nichts. Ich … «
    Sie atmet schwer in den Hörer. Mama denkt immer gleich an das Schlimmste. Autounfälle. Feuer. Bewaffnete Psychopathen. Sie glaubt, dass ich von der Intensivstation des Krankenhauses anrufe. Dass ich jeden Augenblick in den Operationssaal geschoben werde. Die Ärzte haben mir noch erlaubt, ein letztes Telefonat zu führen. Für den Fall, dass die Operation missglückt. Was durchaus sein könnte.
    » Ach, Mama, ich weiß eigentlich nicht, warum ich angerufen habe. «
    Ich sehe sie vor mir. Mama, ängstlich und erregt, in ihrem hübschen Nachthemd. Der Professor, müde, in seinem gestreiften Pyjama. Das grimmige Gesicht gespickt mit grauen Bartstoppeln. Sie haben sich halb aufgerichtet, sitzen fast im Bett. Die Rücken gegen einen weichen Wall aus Seidenkissen mit handgestickten Monogrammen gelehnt. Auf dem Nachtschränkchen leuchtet eine Lampe mit Troddeln am Schirm.
    » Aber Lillebjørn, so sag mir doch, was los ist. «
    Sie ist noch immer überzeugt, dass etwas Schreckliches geschehen ist.
    » Es ist nichts Wichtiges, Mama. «
    » Bist du zu Hause? «
    Ich kann ihrem Gedankengang folgen. Vielleicht liege ich in meinem eigenen Erbrochenen. In irgendeinem versifften Hospiz. Vielleicht habe ich fünfzig Rohypnol und dreißig Valium geschluckt und mit einem Liter Spiritus nachgespült. Während ich dasitze

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