Egeland, Tom
Abend zu Kristin und mir zu kommen? Dann überlegen wir uns die Sache noch mal genauer. Ein bisschen diskreter als hier. Außerdem warst du schon lange nicht mehr da. Kristin wird sich sicher freuen. «
» Gerne «, sage ich. Allein der Gedanke an Kristin lässt meinen Puls schneller gehen.
» Und übrigens: Ich an deiner Stelle würde mal mit Grethe reden. Sie weiß alles über diese Leute. «
» Grethe? «
» Grethe! Sag nicht, du weißt nicht mehr, wer Grethe ist! «
Ich werde rot. Ich habe Grethe nicht vergessen.
11
VOR DEM HOCHHAUS sitzt ein Mann zusammengesunken hinter dem Lenkrad eines frisch gewaschenen roten Range Rovers mit Diplomatenkennzeichen. Er sieht schnell weg, als er mich erblickt. Die meisten sehen mir nach.
Ich gehe in meine Wohnung. Der Anrufbeantworter blinkt. Das tut er nur selten.
Die erste Nachricht ist von Mama. Sie erinnert mich daran, dass ich heute Abend zum Essen eingeladen bin. Wir wissen beide, dass ich abgelehnt habe. Die andere Nachricht ist von einer alten Frau, die sich höflich entschuldigt und dem Anrufbeantworter erzählt, sie habe sich verwählt. Die dritte Nachricht bleibt stumm. Ich höre lediglich jemanden atmen.
Sofort habe ich das Gefühl, nicht allein zu sein. Das überkommt mich manchmal. Jemand hat den Abdruck einer Seele in meiner Wohnung hinterlassen. Ich schleiche mich ins Wohnzimmer. Die Sonne lässt die Gardine schimmern. Ich öffne die Tür zum Schlafzimmer, aus dem mich das breite Wasserbett wie ein nicht gehaltenes Versprechen angrinst. Das Bad ist dunkel. Das Büro, das bei einem etwas mehr patriarchalisch veranlagten Mann in meinem Alter sicher als Kinderzimmer dienen würde, quillt über von Dokumenten und ausgeliehenen Artefakten.
Ich bin allein. Trotzdem hängt in mir das Gespür von etwas Fremdem. Ich öffne eine Flasche Bier, nach Wochen im Kühlschrank ist es eiskalt. Ich trinke, während ich noch einmal eine Runde durch die Wohnung drehe.
Erst bei der vierten Runde bemerke ich es. Jemand hat meinen Computer bewegt. Nicht viel. Nur ein paar Zentimeter. Aber genug, damit ich die Spuren im Staub erkennen kann. Ich lasse mich schwer in den Bürostuhl fallen und schalte die Maschine an. Nichts geschieht. Kein Piepen und Rauschen. Endlich ist das nervige, laute Ta-ra verstummt, das immer dann ertönt, wenn Leben in den Bildschirm kommt, und das ich seit dem Kauf des Computer abzustellen versucht habe.
Bald darauf begreife ich, wieso.
Die Front des Computers ist lose. Mit den Fingerkuppen ziehe ich sie ein Stück weit weg und blicke in den elektronischen Wirrwarr der Organe, Lebenslinien und geistigen Knotenpunkte der Maschine. Ich kenne mich mit Computern nicht aus, aber ich sehe, dass jemand die Harddisk entfernt hat.
Sofort überkommt mich eine Wahnsinnswut. Sie dringen in meine Wohnung ein. Kommen und gehen, als hätte ich ihnen einen Schlüssel zu meinem Leben gegeben.
Dann beruhige ich mich. Ich habe noch immer die Über hand. Sie haben nicht bekommen, was sie wollten. Voll teuflischen Eifers rufe ich die Polizei an, um den Einbruch zu melden. Danach wähle ich die Durchwahl von Professor Arntzen.
Er ist außer Atem.
» Wo ist der Schrein? «, ruft er, als ihm klar wird, wer am Telefon ist.
» Der Schrein? «, frage ich mit gespielter Unwissenheit.
» Tu nicht so, als ob nicht du … «, beginnt er.
Jemand nimmt ihm den Hörer aus der Hand.
» Wo ist dieser verfluchte Schrein? « Llyleworths Stimme zittert.
» Was lässt Sie annehmen, dass ich ihn habe? «
» Lassen Sie diesen Unsinn! Wo ist er? «
» Ich kann Ihnen viel Arbeit ersparen und Ihnen sagen, dass Sie auf meiner Harddisk nichts anderes finden werden als Vorträge, das eine oder andere begonnene Gedicht und ein paar amüsante Computerspiele. «
» Wo ist der Schrein? «
Ich lege auf. Hole mir noch ein Bier. Und frage mich, was jetzt geschehen wird.
Das Telefon klingelt. Am liebsten würde ich es klingeln lassen. Ich habe keine Lust, mit jemandem zu reden. Das Telefon gibt nicht klein bei. Zum Schluss gewinnt es.
Es ist ein Engländer. Dr. Rutherford from London. Direktor des anerkannten Royal British Institute of Archaeology. Er bietet mir Geld für das Artefakt, das sich, wie er erfahren hat, in meinem Besitz befindet.
» Der Fund ist Eigentum des norwegischen Staates «, wende ich ein.
» Fünfzigtausend Pfund «, pariert er.
Fünfzigtausend Pfund sind viel Geld. Aber ich komme nicht einmal auf den Gedanken, das Angebot anzunehmen, mein Starrsinn hat noch nie
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