Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
Vom Netzwerk:
geflochtenem Bast sitzen strup pige Teddybären und Puppen mit leblosen Porzellangesichtern. Vielleicht hält Grethe Lid Wøien so an der Kindheit fest, über die sie nie sprechen will. Ich glaube nicht, dass sie Familie hat. Auf jeden Fall niemanden, zu dem sie sich bekennt. Ich habe nie von jemandem gehört, der ihr nahe steht. Grethe hat die Leere mit wissenschaftlichen Studien gefüllt. Und mit Männern. Überall sind Bücher. Sie hat sich in ihrer Wohnung in einer vornehmen Straße im Stadtteil Frogner eingemauert, um ihre Einsamkeit zu pflegen.
    Sie führt mich ins Wohnzimmer. Auf dem Weg dahin kommen wir am Schlafzimmer vorbei. Die Tür steht halb offen. Ich erblicke das ungemachte Bett. Die Betten anderer Menschen machen mich verlegen. Betroffen blicke ich in eine andere Richtung.
    Sie ist nicht mehr die Gleiche. Sie ist eine alte Dame geworden. Sogar ihre Schritte haben etwas Abgelaufenes, Schlurfendes.
    Eine Katze fährt von einem Sessel hoch und verschwindet unter dem Flügel. Ich konnte Katzen noch nie ausstehen. Das beruht auf Gegenseitigkeit.
    Sie macht eine Kopfbewegung in Richtung Plüschsofa.
    » Ich hätte dir etwas zu trinken anbieten müssen «, sagt sie und sinkt in einen Sessel.
    Etwas stimmt nicht. Ich spüre das. Trotzdem kann ich mich nicht aufraffen zu fragen.
    Sie sieht mich an. Lächelt schief. Eine gediegene Wanduhr schlägt zwei schwere Schläge.
    » Ich brauche Hilfe «, sage ich und unterdrücke ein Niesen. Das Sofa ist voller Katzenhaare, die in meiner Nase kribbeln.
    » Das habe ich mir gedacht. Du gehörst nicht zu denen, die plötzlich in der Tür stehen, ohne etwas zu wollen. «
    Ich weiß nicht, ob das eine milde Zurechtweisung ist, eine nüchterne Beobachtung oder eine Anspielung auf den Aben d v or zwölf Jahren, an dem ich all meinen Mut zusammengenommen und ihr gebeichtet hatte, dass ich sie liebe. Ich war zwanzig. Sie weit über fünfzig. Ich war immer schon irgendwie anders.
    » Findest du, dass ich alt geworden bin? «, fragt sie.
    Ich habe sie nie angelogen. Deshalb sage ich nichts. Alter ist nur ein Punkt in einer Chronologie. Die Mathematikerin Kathleen Ollerenshaw war sechsundachtzig Jahre alt, als sie das uralte mathematische Rätsel des » Magischen Quadrates « l öste. Wie auch immer man die Zahlen addiert, man erhält die Zahl dreißig:
    ∗ ∗ ∗
    0
    14
    3
    13
    7
    9
    4
    10
    12
    2
    15
    1
    11
    5
    8
    6
    ∗ ∗ ∗
    Bei meinem Schweigen seufzt Grethe traurig. »Ich bin krank«, sagt sie dann frei heraus. »Krebs, schon seit zwei Jahren. Ich bin für jeden Tag dankbar. «
    Ich ergreife ihre Hand. Es ist, wie die kalte Hand eines schlafenden Kindes zu halten.
    » Der Arzt meint, ich sei zäh «, sagt sie.
    » Hast du Schmerzen? «
    Sie hebt die Schultern in einer Bewegung, die ja und nein bedeuten kann. Dann sagt sie: » Am schlimmsten in der Seele. «
    Ich drücke ihre Hand.
    » Also! Was ist das Problem? «, fragt sie geschäftsmäßig und zieht die Hand zu sich. In ihrer Stimme schwingt ein wenig von der Autorität mit, mit der sie sich als Professorin umgab. Es ist sieben Jahre her, dass sie ihren Abschied genommen hat. Noch immer reden wir über sie.
    » Wenn du krank bist, soll ich dann nicht lieber … «
    » Unsinn! «
    » Ich dachte nur … «
    » Lillebjørn! «
    Ihr Blick hält mich fest.
    Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Sie hilft mir auf den Weg: » Ich habe gehört, du bist an der Ausgrabung im Kloster Værne beteiligt? «
    Genauso war sie an der Universität. Sie wusste alles.
    » Wir haben einen Fund gemacht «, sage ich. Dann weiß ich wieder nicht weiter. Mir fehlen die Worte. Schließlich platze ich heraus: » Ich versuch einfach nur herauszufinden, was da eigentlich vor sich gegangen ist! « Das ergibt für sie sicher keinen Sinn.
    » Was habt ihr gefunden? «, fragt sie.
    » Einen Schrein. «
    Zögernd: » Ah ja. «
    » Aus Gold. «
    Sie legt den Kopf auf die Seite. » So etwas. «
    » Professor Llyleworth ist damit abgehauen. «
    Sie sagt nichts. Sie hätte lachen sollen. Den Kopf schütteln. Aber sie sagt nichts. Sie beginnt zu husten. Erst vorsichtig, dann laut und röchelnd. Es hört sich an, als hingen ihre Lungenflügel lose in ihrer Brust. Sie hält sich beide Hände vor den Mund. Als sich der Anfall wieder gibt, bleibt sie nach Atem ringend sitzen. Sie sieht mich nicht an. Das ist gut. So bleiben ihr meine Augen erspart.
    Sie räuspert sich mehrmals. Diskret nimmt sie ein Taschentuch heraus und spuckt hinein.
    » Entschuldige

Weitere Kostenlose Bücher