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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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behauptete, verblasste in den Fünfzigerjahren und wurde in Teilen der ökonomischen Zunft bald schon vergessen. Es galt jetzt als absolut vernünftig und keinesfalls moralisch fragwürdig, so zu handeln, wie es die Theorie vorschrieb.
    Überhaupt spielte Moral aus durchaus verständlichen Ursachen keine große Rolle. Der Grund lag auf der Hand: Es wäre im Kalten Krieg mörderischer Leichtsinn gewesen, irgendetwas anderes zu wollen, als in diesem Spiel Gewinner zu sein, an irgendetwas anderes zu denken als an den eigenen Vorteil. Doch was im militärischen Bereich sinnvoll war, ließ sich auf diesen nicht beschränken. Es waren Modelle, die nicht nur auf das Verhältnis zum Gegenspieler zielten, sondern auf das Verhältnis des Menschen zur Welt.
    Viele der Ökonomen, die in den Fünfzigerjahren in der RAND Corporation arbeiteten oder das Militär berieten, gehörten der sogenannten »neoklassischen« Schule an, die an der Universität Chicago ihre Heimat hat und die im Bereich der Ökonomie schon eine ganze Weile lehrte, dass Menschen egoistisch und Märkte Wahrheitsmaschinen sind. Jetzt sahen sie die Chance gekommen, eine reine Behauptung zu einem Naturgesetz zu machen.
    Sie fingen an, Formeln und Algorithmen zu schreiben, und die Formeln konnten wieder von Rechnern verstanden werden. Schon das war neu. Bislang – anders, als man heute denkt – war es in den Wirtschaftswissenschaften verpönt, menschliches Verhalten in mathematische Modelle zu gießen. Doch wenn man annahm, dass jeder Mensch seinen eigenen Vorteil sucht, konnte man sein Verhalten mathematisch bestimmen.
    Diese oft genialen Wirtschaftswissenschaftler wurden nicht nur Experten für die Automatisierung des Militärs, sondern auch für die Automatisierung von Märkten und die Automatisierung von Menschen in diesen Märkten. Sie waren Pioniere einer Welt, die noch ein halbes Jahrhundert davon entfernt war, dass sich jeder Mensch mit den Computern und Märkten vernetzte. Aber alle ihre Formeln konnten von Rechnern verstanden und umgesetzt werden.
    Sie erfanden etwas, was sie die »Spieltheorie« nannten. Und mithilfe dieser Erfindung holten sie jenes Denkmodell in das Spiel unseres Lebens. Viele der Ökonomen, die damals bei RAND dabei waren, erhielten nach Ende des Kalten Krieges den Nobelpreis für Wirtschaft. Er war die Krönung eines gewaltigen Unterfangens, das die Logik des Kalten Kriegs in die Zivilgesellschaft übertrug. Am Ende, in dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, war das Ego-Modell tatsächlich zum Naturgesetz geworden. Und niemand kann bezweifeln: Es funktionierte besser als all jene verblasenen überindividuellen Werte-Ideologien mit ihren angeblichen sittlichen Rollenverpflichtungen, in deren Namen im 20. Jahrhundert ein mörderischer Kollektivismus (oder Rassismus) sich entfalten konnte. Der gesamte globale Organismus, schrieb der Chef-Leitartikler des »New Yorker« unter dem Eindruck des 11. September, »basiert auf einer Art Urvertrauen – die unsentimentale Erwartung, dass Menschen, sowohl Einzelne wie die gesamte Gesellschaft, mehr oder weniger aus rationalem Eigennutz handeln«. 30
    Aber diese Rationalität kostet im Zeitalter »rationaler Maschinen«, wie wir allmählich zu begreifen lernen, einen Preis. Und bis heute macht sich eine Welt in Trance, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum bewusst, dass diese Ökonomen die menschliche Seele tief greifender verändert haben als jede Psychologie.
    Sie hatten keine Waffen gebaut, keine Waren produziert und auch keine Prozessoren gelötet, aber dafür wesentlich die Programme für die drei großen Maschinen geschrieben, die die Welt bis heute bestimmen: das Militär, der Markt und der Computer. Sie hatten dort angesetzt, wo Menschen am verführbarsten sind: bei der Chance, Profite zu machen. Profite im großen Spiel des Kalten Kriegs, Profite im Leben.
    Das Militär im Kalten Krieg wollte ab Mitte der Fünfzigerjahre mithilfe des Computers einen rationalen, berechenbaren, ermüdungsfreien Ersatz für den Menschen, einen »Agenten«, der nur ans eigene Überleben dachte und das Risiko eines Angriffs ebenso beurteilen konnte wie die beste Chance zum Zuschlagen.
    Und wie sich in den darauffolgenden Jahren herausstellte, waren das dieselben Qualifikationen, die die neuen Wirtschaftsmärkte wollten: einen Menschen, der Profite machen wollte, Risiken berechnen konnte und wusste, wann er bei einer Auktion zuschlagen musste.
    Doch was stört bei der Berechnung der Zukunft mehr als der

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