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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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wieder ein, aber es hatte mit der Lehne zur Wand gestanden. Deshalb hatte er sie bei seiner letzten Kontrolle hinter der Bühne nicht gesehen. Er hatte nie ein Wort mit Marguerite gewechselt, konnte sich aber an ihr Gesicht erinnern, weil Montand sich auf den Proben immer besonders um sie zu kümmern schien.
    Da wusste Lavicini, dass er seinen Wermut nie wiedersehen durfte. Er hatte vorgehabt, unter falschem Namen in Venedig mit ihr zu leben, bis ihr Gatte gestorben war, um dann an irgendeinen exotischen Ort durchzubrennen, wo kein Mensch den Namen Lavicini kannte. Aber wenn er jetzt zu ihr zurückkehrte, würde er ihr gestehen müssen, dass ein Mädchen dafür gestorben war, dass sie wieder zusammen sein konnten, als ein Menschenopfer für ihre Liebe, stellvertretend für ihn selbst, der nicht entschlossen genug gewesen war, sich umzubringen. Ehebruch war das eine, aber die Mitschuld an einem Mord würde seinem Wermut den Verstand rauben. Das durfte sie niemals erfahren. Doch er würde mit der Wahrheit in ihrer Gegenwart nicht hinterm Berg halten können. Es war wohl besser, wenn sie nie erfuhr, dass er die Zerstörung des Théâtre des Encornets überlebt hatte.
    Trotzdem ging er zurück nach Venedig. Wenn er seinen Wermut schon nicht haben konnte, wollte er doch wenigstens in der Heimat sein. Auf der abgelegenen Insel Vignole konnte er in einer Art Exil Buße tun und war dabei doch in Sichtweite des Arsenals, wo er als jüngerer Mann in glücklicheren Tagen gearbeitet hatte. Und in den Monaten des Karnevals konnte er durch die Stadt streifen wie Hephaistos, der auf den Olymp zurückkehrte, unter den Masken, die er den Rest des Jahres über baute und bemalte wie kleine Bühnenbilder. Selbst wenn er sich ein Dutzend Mal am Tag am Wermut vorbeidrängelte, wäre das egal, denn er musste nicht wissen, dass sie es war.
    »Ganz bis nach Paris und wieder zurück wegen einer Frau?«, sagte Sauvage, als Lavicini mit seiner Geschichte fertig war.
    »Im Grunde wegen zweier Frauen.« Lavicini hustete wieder lange. »Warum bist du hierhergekommen?«
    Sauvage nahm allen Mut zusammen. »Ich habe ein Theaterstück geschrieben«, sagte er, »und ich möchte, dass Sie das Bühnenbild übernehmen. Ich musste Sie finden, weil Sie der Einzige sind, der es kann.«
    »Ich habe viele begabte Nachfolger in Paris.«
    »Nein. Das Stück spielt in der Zukunft, in zweihundertfünfzig Jahren. Ich glaube nicht, dass es außer Ihnen noch einen Menschen auf der Welt gibt, der es echt aussehen lassen könnte. Es handelt von einem jungen Mann, dessen Freunden der Tod durch einen Tyrannen nach Art des Sonnenkönigs droht. Aber anstatt sie zu retten, flieht er in eine Kolonie in der Neuen Welt.«
    »Was wird aus ihm?«
    »Er begegnet einem Mann, der mit dem Verkauf von Striegeln reich geworden ist und ihn auf die Suche nach einem Erfinder schickt, der einen Erstaunlichen Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort bauen will. Aber dieser war kein Bühneneffekt wie bei Ihnen – er war echt. Eine Art reproduzierbares Wunder. Der Held findet diesen Erfinder, stößt dabei aber auch auf einen Agenten des Osmanischen Reiches, der den Erfinder nach Konstantinopel bringen will.«
    »Hat der Agent Erfolg?«
    »Das weiß ich noch nicht. Entscheidend ist, dass dem Helden seine Feigheit bewusst wird und er in sein Heimatland zurückkehrt, um den Tyrannen zu stürzen. Aber er kommt zu spät und kann seine Freunde nicht mehr retten.«
    »De Gorge hat mir immer erzählt, der Held eines Erfolgsstücks müsse ein Mann sein, den die Zuschauer gern zum Abendessen nach Hause einladen würden. Sonst würde es sich niemand bis zum Ende ansehen wollen. Dein ›Held‹, der seine Freunde in den Tod gehen lässt – der klingt nicht nach dieser Sorte Mann.«
    »De Gorge ist nichts als ein billiger Zuhälter.«
    »Aber ein sehr cleverer billiger Zuhälter.«
    »Es geht um den Sinneswandel des Helden. Durch seine Rebellion wäscht er sich wieder rein. Ohne das hat die Geschichte keinen Sinn.«
    »Und du willst dein Publikum vermutlich dazu ermutigen, genauso zu denken?«
    »Ludwig hat meinen Vater umgebracht. Ich weiß nicht, wie ich mich sonst rächen kann. Ich bin kein Cromwell. Ich bin ein Stückeschreiber.«
    Lavicini schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Bernard, aber ich kann dir das Bühnenbild nicht bauen. Ich bin viel zu krank. Noch wenige Monde, dann sterbe ich hier, im Théâtre des Encornets, so wie ich es von Anfang an

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