Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
hätte tun sollen. Du hattest Glück, dass ich noch warm war, als du kamst. Ich danke dir für deinen Besuch, aber ich fürchte, du wirst mit leeren Händen wieder gehen müssen. Tausch vorher mit Melchiorre die Masken. Das wird ein wenig Verwirrung stiften, falls dir jemand gefolgt ist.«
»Mit leeren Händen werde ich bestimmt nicht gehen.«
»Wenn du die Fledermaus zum Aufziehen behalten möchtest, kannst du sie gern mitnehmen.«
»Nein«, sagte Sauvage. »Ihre Geschichte werde ich mitnehmen. Einen Teil davon haben Sie mir erzählt, aber ich will auch den Rest, die ganze Geschichte von Anfang bis Ende. Ich schreibe sie auf, und wenn Sie tot sind, veröffentliche ich sie, damit sie der Welt erhalten bleibt. Wissen Sie, mein Vater wollte seine Lebensgeschichte aufschreiben. Aber er ist vor seinem Tod nicht mehr dazu gekommen.«
»Ich will nicht so tun, als wäre ich in meiner Mattigkeit ganz ohne Stolz, aber bist du dir auch sicher?«, sagte Lavicini amüsiert. »Da gibt es viel zu erzählen.«
»Gewiss.«
»Also gut. Du wirst es hoffentlich nicht bereuen, wenn die Stunden sich ziehen. Ob du so nett wärest, unserem Gast ein wenig Papier, Tinte und eine Feder zu bringen und mir einen Schluck Wasser?« Der Gondoliere gehorchte. Lavicini trank und ließ sich dann in sein Kissen sinken. »Bist du bereit, Bernard?«
»Ja.«
»Nun denn: Im Jahre des Herrn 1648 wurde ich in Paris geboren …«
9
WASHINGTON, DC, 1947
DER VORSITZENDE : Der Ausschuss tritt wieder zusammen. Der nächste Zeuge ist Egon Loeser.
DER CHEFERMITTLER : Wann und in welchem Land sind Sie geboren worden, Mr Loeser?
MR LOESER : Ich wurde in Berlin geboren, in Deutschland, im Jahr 1907.
DER CHEFERMITTLER : Und Sie erscheinen vor dem Ausschuss aufgrund einer Vorladung, die Ihnen am Dienstag, dem 23. September zugestellt wurde, ist das richtig?
MR LOESER : Ja.
DER CHEFERMITTLER : Sind Sie Bürger der Vereinigten Staaten?
MR LOESER : Nein. Ich verfüge bis heute nur über meine Einreisepapiere.
DER CHEFERMITTLER : Wann haben Sie Ihre Einreisepapiere erhalten?
MR LOESER : Im Jahr 1935, als ich an die Ufer dieses Landes gespült wurde.
DER CHEFERMITTLER : Wo leben Sie zur Zeit?
MR LOESER : In New York City, mit meiner Frau.
DER CHEFERMITTLER : Unter welcher Anschrift?
MR LOESER : 36, West 73rd Street, in der Nähe des Central Park. Wollen Sie mir eine Weihnachtskarte schicken?
DER CHEFERMITTLER : Mr Loeser, sind Sie heute oder waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei?
MR LOESER : Nein. Aber ich möchte eine Erklärung abgeben.
DER VORSITZENDE : Sie können Ihre Erklärung im Anschluss an Ihre Aussage abgeben, Mr Loeser.
MR LOESER : Ich möchte sie jetzt abgeben.
DER VORSITZENDE : Erst nach Abschluss der Befragung.
MR LOESER : Ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, dass ich kein Kommunist bin. Ich habe noch nie einer politischen Vereinigung angehört. Was gibt es da noch zu sagen?
DER CHEFERMITTLER : Mr Loeser, Sie sind als Zeuge vor den Ausschuss geladen worden, weil wir die Verbindungen zwischen einem gewissen sowjetischen Spionagering in Los Angeles und dem Roman- und Drehbuchautor Stentor Mutton in den Jahren 1934 bis 1940 untersuchen. Mr Mutton wird morgen aussagen. Kann man sagen, dass Sie über besondere Kenntnisse dieser Verbindung verfügen?
MR LOESER : Ich hatte größtenteils keine Ahnung, was los war.
DER CHEFERMITTLER : Aber Sie waren mit den Beteiligten bekannt?
MR LOESER : Ja, ich habe Drabsfarben gekannt, und ich habe Mutton gekannt. Nun, Mutton kenne ich noch immer.
DER VORSITZENDE : Entschuldigen Sie, Mr Loeser, aber was machen Sie da?
MR LOESER : Wonach sieht es denn aus?
DER VORSITZENDE : Es sieht danach aus, als hätten Sie Ihre Krawatte abgenommen und würden sie über dem Kopf herumwirbeln wie ein Gaucho seine Bola.
MR LOESER : Genau. Ich wollte mal sehen, ob das nachher im Protokoll steht.
DER VORSITZENDE : Wie meinen Sie das?
MR LOESER : Das Komische an so einem Protokoll ist ja, dass es darin keine Regieanweisungen gibt. Ich könnte Sie mit Ihrem eigenen Richterhammer totschlagen, und der Stenograf würde das nicht einmal andeuten dürfen, es sei denn, es steht zufällig jemand auf und sagt: »Bitte nehmen Sie ins Protokoll auf, dass Mr Loeser den Vorsitzenden mit seinem eigenen Richterhammer totgeschlagen hat.«
DER VORSITZENDE : Wollen Sie eine Amtsperson des Kongresses mit dem Tode bedrohen, Mr Loeser?
MR LOESER : Das war rein theoretisch gemeint.
DER VORSITZENDE : Bitte legen Sie
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