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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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Sauvages Kindheit vor dem Tod seines Vaters mehrmals besucht hatte.
    »War es schwer, mich zu finden?«, sagte Lavicini.
    »Ja, sehr«, sagte Sauvage.
    »Dann weißt du, wie viel Mühe ich mir mit meinem Versteck gegeben habe. Und trotzdem war es dir egal, wen du mitbringst?«
    Sauvage warf Melchiorre einen Blick zu. »Er hat behauptet, er sei schon Monate nicht mehr auf Vignole gewesen. Aber er ist über das lose Brett auf dem Steg gesprungen, ohne hinzugucken. Ich wusste, dass er lügt.«
    »Ja, Melchiorre hat mir treu gedient.«
    »Wann haben Sie das hier gebaut?«
    »Vor elf Jahren. Ein paar Sommer, nachdem ich Paris verlassen hatte.«
    »Warum eine künstliche Kirche? Warum nicht einfach ein künstliches Bauernhaus? Oder eine künstliche Scheune?«
    »Bei einer Kapelle fragt sich nie jemand, was darin versteckt ist.«
    »Und die Fledermäuse?«
    »Zeig ihm eine, Melchiorre«, sagte Lavicini. Der Gondoliere holte brav etwas von einer der Werkbänke und brachte es Sauvage. Die Fledermaus hatte ein Eisenskelett, Flügel aus schwarzem Samt und weder Gesicht noch Krallen. »Sie hängen an einem Gestell, und wenn Melchiorre die Feder aufzieht, regen sie sich die ganze Nacht über im Schlaf.«
    »Und der Wolf?«
    »Die Wölfe sind echt.« Lavicini hustete, als wären seine Lungen voll von heißem Talg, und Sauvage war froh um seine Maske, denn er musste unwillkürlich das Gesicht verziehen. »Ist allgemein bekannt, dass ich noch lebe?«
    »De Gorge weiß es natürlich, aber außer ihm sind es nicht viele. Es hat lange gedauert, bis ich mir sicher war.«
    »Ja. Niemand sollte es herausfinden können. Aber als alles schiefgegangen war, bin ich nachlässig geworden. Ich habe mich nicht mehr an alle Vorsichtsmaßnahmen gehalten, die ich getroffen hatte.«
    »Was meinen Sie mit ›als alles schiefgegangen war‹?«
    »Du hast noch immer nicht verstanden, was im Théâtre des Encornets geschehen ist?«
    »Das meiste weiß ich, glaube ich jedenfalls. Ich weiß, dass Sie alles geplant hatten. Aber eines habe ich nie verstanden.«
    »Was?«
    Sauvage zögerte. »Sie waren ein Freund meines Vaters. Er hielt Sie für einen guten Menschen. Ich begreife nicht, dass Sie einfach zwei Dutzend Männer und Frauen haben sterben lassen. Das ergibt keinen Sinn.«
    »Ich habe nicht zwei Dutzend Männer und Frauen sterben lassen.«
    »Ich war dabei, als sie am Morgen darauf die Leichen ausgegraben haben.«
    »Und das glaubst du noch immer, obwohl du meine Fledermäuse gesehen hast?«
    »Also hat es an jenem Abend keine Todesopfer gegeben?«, fragte Sauvage.
    Der andere Mann schüttelte den Kopf. »Das stimmt auch wieder nicht ganz.«
    Der Zirkumflex aus Kerzenschein, der sich in dem Tropfen Mandelsirup spiegelte, der langsam am weißlichen Brandteig auf dem sahnigen Gipfel des Schokoladen-Croquembouche herunterrann, der eines Sommerabends im Jahr 1677 in der Pâtisserie aufgetragen wurde, die dem einzigen echten Pariser Konditor von Venedig gehörte: Das war Lavicini, der dem neunten jener finanziell gut ausgestatteten Gesandten von de Gorge gegenübersaß, die ihm ihre Aufwartung gemacht hatten, seit er nicht mehr im Arsenal arbeitete und ein Opernbühnenbildner geworden war. Auch er hing in diesem Siruptropfen, bereit, sich mit auflecken zu lassen, sollte der Sirup von dem fetten Franzosen vor ihm aufgeleckt werden. Alle früheren Angebote de Gorges hatte er kurzerhand abgelehnt. Für so ein Ungeheuer wollte er nicht arbeiten. Aber am Tag nach Pfingsten hatte die einzige Frau, die Lavicini jemals wirklich geliebt hatte, ihm mitgeteilt, Gott wolle, dass sie wieder zu ihrem Gatten zurückkehre. Sein Freund Foscolo, der Dramatiker, war im Jahr zuvor in die Lagune gegangen, weil eine Kurtisane ihm das Herz gebrochen hatte, aber Lavicini spielte nicht ernsthaft mit Selbstmordgedanken. Trotzdem konnte er nicht in der gleichen Stadt bleiben wie sein Wermut, der Stern, der ihm die Wasser hatte bitter werden lassen. Er scherte sich nicht darum, wo er war und was er tun musste, solange er nicht mehr fürchten musste, sie zufällig zu sehen, wie sie über die Rialtobrücke lief. Also wartete er, bis der Franzose sich ihm zuwandte, um den ersten Bissen von der Croquembouche zu nehmen, und verkündete dann, die Zeit, die Stelle bei de Gorge anzunehmen, sei gekommen. Der Lakai wieherte triumphierend, verkleckerte Sahne auf dem Tisch und rief nach Cognac. Zwei Wochen darauf traf Lavicini in Paris ein, ohne je wieder ganz nüchtern geworden zu sein.
    Fast

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