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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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Loeser gab dem Wissenschaftler neben Ziesel die Hand, einem großen, hageren Mann mit kleinen, schmalen Augen, die ihm tief im Schädel lagen wie zwei alte Jungfern, die aus ihren Fenstern spähen, ohne dabei gesehen werden zu wollen. Sein Haar war stahlgrau und seine Hand ganz weich und kühl. »Was bringt dich ins Institut?«, fragte Ziesel.
    Loeser wiederholte, was er der Frau am Schalter gesagt hatte.
    »Vielleicht könnten Sie für Dr. Marsh einspringen, falls Sie Zeit haben«, sagte die Frau.
    »Für einen alten Freund habe ich immer Zeit. Möchten Sie sich uns anschließen, Herr Dr. Clarendon?«
    »Ich fürchte, ich muss zurück ins Labor.«
    »So ein Mist«, sagte Ziesel verwirrenderweise. Er verabschiedete sich von Clarendon und schaltete dann wieder auf Deutsch um. »Also, Egon, gibt es etwas Bestimmtes, das du sehen möchtest?«
    Loeser wollte sich nicht von Ziesel herumführen lassen, aber er konnte sich wohl kaum umdrehen und verlangen, dass die Frau am Schalter ihm einen weniger abstoßenden Ersatz besorgte. »Ich muss das Gorge-Auditorium sehen. Natürlich. Und …« – Loeser zögerte. Die eigentlichen Ziele, die Gorge bei Loesers Engagement am Institut verfolgte, durfte Loeser nicht durchblicken lassen. Andererseits war Ziesel vermutlich zu dämlich, um misstrauisch zu werden. »Ich würde sehr gern Professor Bailey kennenlernen.«
    Ziesel grinste. »Das kann ich mir denken!«
    »Wie meinst du das?« Wie konnte er etwas wissen?
    Aber Ziesel zwinkerte nur und führte Loeser dann wieder vor Throop Hall. »Da oben ist der Athenaeum Club«, sagte er und zeigte darauf, während sie den Weg nach Norden einschlugen. »Soll nach Oxford und Cambridge aussehen – ein bisschen prätentiös, wenn du mich fragst. Da drüben ist Dabney Hall, Geisteswissenschaften. Und das ist das Guggenheim Laboratory für Aeronautik.«
    »Wie lange bist du schon in Amerika?«, sagte Loeser.
    »Fast ein Jahr. Ich habe daheim in Berlin eine Arbeit über die subatomaren Eigenschaften von Thorium verfasst, die ein paar Wellen geschlagen hat – ist sie dir mal untergekommen?«
    »Komischerweise nicht.«
    »Na egal, dieser Arbeit verdanke ich meinen Job. Sie haben mir ein Forschungsstipendium hier draußen angeboten, und natürlich habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt – gerade du wirst das ja verstehen! Es soll zeitlich begrenzt sein, aber im Vertrauen haben sie mir gesagt, ich könne bleiben, so lange ich wolle. Ich wäre lieber nach Princeton gegangen, aber hier ist das Wetter besser, und in New Jersey hätte ich natürlich auch nie Lornadette kennengelernt.«
    »Wer ist Lornadette?«
    »Wir haben uns viel zu erzählen! Lornadette ist meine Frau.«
    Loeser blieb ruckartig stehen. »Deine Frau?«
    »Ja.«
    »Du bist verheiratet?«
    »Ja.«
    »Mit einem lebendigen Menschen?«
    »Ja.«
    »Ist sie irgendwie körperlich oder geistig behindert?«
    »Ganz im Gegenteil.«
    »War Geld im Spiel? Hatte es mit einem Visum oder einer Arbeitserlaubnis zu tun?«
    »Nein! Wir sind einander begegnet und haben uns verliebt und … es ging alles sehr schnell. Ich war im Leben noch nie so glücklich.«
    »Lässt sie dich ran?«
    Ziesel wurde rot. »Also, ich muss schon sagen, Egon …«
    »Du bist verheiratet. Du bist tatsächlich verheiratet. Ich, Egon Loeser, habe ein halbes Jahrzehnt lang keine mehr abbekommen, und du, Dieter Ziesel, kommst her und findest sofort eine Ehefrau.«
    »Kleine Dürreperiode, was?«, sagte Ziesel glucksend. »Na ja, haben wir alle mal erlebt.«
    »Erstens, Ziesel, ist das nicht komisch. Ich weiß, Menschen, die regelmäßig Sex haben, kommt der Gedanke, jemand anders könnte keinen Sex haben, wie eine lustige Lappalie vor, die kein wirkliches Mitgefühl wachruft, aber wenn ich dir sage, dass mein erotischstes Erlebnis in den vergangenen sieben Jahren war, eine durch Narkose erotisierte altjüngferliche Tante halb auszuziehen, solltest du reagieren, als hätte ich dir gerade gesagt, dass ich Magenkrebs habe. Okay? So fühlt sich das nämlich an. Es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt. Es macht dich auf allen Ebenen deines Seins fertig. Scheiße, das ist nicht komisch. Und zweitens haben ›wir‹ das nicht ›alle mal erlebt‹. Sag das nicht, als wären wir uns ähnlich. Wir sind uns nicht ähnlich. Ich habe Sex verdient. Du dagegen solltest dankbar sein, dass du in deinem Leben überhaupt welchen gehabt hast. Du musst dich vor langer Zeit an die Keuschheit gewöhnt haben. Ich habe mich nicht daran gewöhnt

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