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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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Fortschreiten Ihres Leidens in Kenntnis gesetzt hatten.«
    »Na, was die andere Sache angeht: Was sagen Sie, Krauto? Wollen Sie dieses Stück machen?«
    Das wollte Loeser durchaus nicht. Aber obwohl er regelmäßig mit Gorge zu Abend gegessen hatte, seit er in das nahe Haus gezogen war, hatte er zu seinem Vermieter noch immer keine Beziehung aufgebaut, die eng genug gewesen wäre, als dass er ihn nach der Sammlung Gorge hätte fragen können. Und er vermisste Mitternacht in der Schwesternschule noch immer wie eine entschwundene Liebhaberin. Er hatte buchstäblich Hunderte von geliehenen Publikationen aus Blimks Laden ausprobiert, manche davon eines Inhalts, der selbst ihn erschreckte/verdutzte, aber nichts hatte ihn je wieder so befriedigt. Wenn er diese Arbeit für Gorge übernahm, dann würde er vielleicht endlich nach dem Lohn fragen können, auf den er wirklich aus war.
    California Institute of Technology
    Würde man diese Universität in ein paar Tausend Jahren erkunden wie der Erzähler aus Lovecrafts »Stadt ohne Namen«, dachte Loeser, als er sich ihr auf seinem Fahrrad näherte, man würde sie vielleicht für eine große Anlage aus Tempeln und Mausoleen halten: Obwohl er von Woodkin wusste, dass nichts am Caltech älter war als zwanzig Jahre, sah er hier seit seiner Ankunft in Los Angeles zum ersten Mal Gebäude, die er sich als Ruinen vorstellen konnte. Die Labore und Bibliotheken und Hörsäle – im Licht der Mittagssonne von den Schatten ihrer eigenen Gesimse und Pilaster so klar umrissen wie Architekturzeichnungen, reich mit Wegen, Rasenflächen, Springbrunnen und Zypressenhecken durchsetzt – waren von einer ernsten Würde, die sie viel sakraler erscheinen ließ als jede kalifornische Methodistenkirche. Außerdem machte der Campus ganz wie die umliegende Stadt einen geradezu verlassenen Eindruck, nur dass Caltech sich nicht damit herausreden konnte, dass alle in ihren Autos festsaßen, und die Ausmaße der Hallen schienen deren Leere noch zu verdoppeln. Keine Nekropole war je so still gewesen. Wo waren, mitten im Semester, die Studenten? Doch wohl nicht etwa an der Arbeit?
    Loeser hatte sich mit Marsh am Eingang von Throop Hall verabredet, einem imposanten überkuppelten Verwaltungsgebäude im hier üblichen spanischen Kolonialstil. Die Brise zauste eine amerikanische Flagge an einem hohen Fahnenmast nicht weit vom Portikus, und der Himmel darüber war voller Bänder und Rüschen und Schlingen und Schleifen und Fäden und allem, was auf einem Schneidertisch sonst noch herumliegt. Er wartete zwanzig Minuten lang vergeblich im Schatten neben seinem Fahrrad, bevor er aufgab und hineinging.
    »Ich suche Dr. Marsh«, sagte er zu einer Frau an einem Schalter. »Wir sind verabredet.«
    Sie zögerte einen Augenblick lang, bevor sie antwortete. »Ich fürchte, Dr. Marsh ist nicht verfügbar.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er wird vermisst. Er ist heute Morgen nicht zur Haushaltskonferenz um acht Uhr erschienen. Wir haben seine Frau angerufen, und sie sagte, er sei gestern Abend nicht nach Hause gekommen. Wir glauben, dass er sich vielleicht noch immer auf dem Campus aufhält. Es wird nach ihm gesucht. Was wollten Sie von ihm?«
    »Ich heiße Egon Loeser. Ich soll ein Stück für das Gorge-Auditorium inszenieren. Dr. Marsh sollte mir eine Führung durch die Universität geben.«
    »Nun, unter diesen Umständen bin ich sicher, dass wir einen anderen Universitätsangehörigen finden werden, der Sie gern herumführen wird. Da ist gerade …« Sie winkte jemandem hinter Loeser zu. »Verzeihung, Herr Dr. Ziesel? Ob Sie kurz Zeit hätten?«
    Diesmal war Loeser nicht einmal sonderlich überrascht. Obwohl seine Pflichten als einziges »jüdisches« Mitglied im Kalifornischen Komitee für kulturelle Solidarität sich auf das Angenehmste als nicht existent erwiesen hatten, besuchte er doch ungefähr zwei Mal im Jahr Empfänge bei den Muttons, und jedes Mal begegnete er dort einem halben Dutzend verängstigter Neuankömmlinge aus New York, von denen er die meisten wiedererkannte. Er hatte sich diesem Einsickern von Gift aus seinem alten Leben inzwischen fast ergeben. Aber Dieter Ziesel – das ging zu weit. Loeser fiel auf, dass Ziesel noch dicker geworden war.
    »Egon!«, rief Ziesel und sagte auf Deutsch: »So eine Freude. Ich habe gehört, dass du in Los Angeles bist, aber ich wusste nicht genau, wann wir uns über den Weg laufen würden.« Er schaltete auf Englisch um. »Dies ist mein Kollege Herr Dr. Clarendon.«

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