Ehemann für eine Nacht?
Zentimeter von ihren entfernt.
Belinda hielt den Atem an.
Den Bruchteil einer Sekunde standen sie so da, doch es schien eine Ewigkeit zu sein.
„Ich freue mich auf diesen Abend“, sagte Colin heiser.
Ja. Nein, nein. Was war bloß los mit ihr?
Er verwirrte sie und törnte sie derart an, dass sie nicht mehr klar denken konnte.
Colin bedachte sie mit einem schiefen Lächeln. „Ich glaube, die passenden Ohrringe lasse ich dich lieber selbst anlegen.“
Der Bann war gebrochen. Belinda trat einen Schritt beiseite.
Dann steckte sie sich die hübschen Ohrringe an, die Colin ihr aus einem weiteren Samtkästchen gereicht hatte.
Gleich darauf brachen sie zur Dinnerparty auf. Da es nicht ihre erste öffentliche Veranstaltung mit ihm war, entspannte sich Belinda nach ihrer Ankunft auf dem Landsitz schnell.
Zwei von Colins verheirateten Cousins waren anwesend – Väter der Kinder, mit denen sie im Atelier gemalt hatte. Nach anfänglicher Befangenheit ihr gegenüber schienen sie und ihre Frauen ihre Vorbehalte langsam fallen zu lassen – und sei es nur, weil Belinda die jüngsten Familienmitglieder so eindrucksvoll beschäftigt hatte.
Etwas später hatte sie gerade eine Unterhaltung mit einem Viscount und dessen Frau beendet, als sie eine bekannte Gestalt erblickte und erstarrte.
Todd.
Sie war bestürzt, hatte sie doch keine Ahnung gehabt, dass er an diesem Abend ebenfalls hier sein würde. Nervös blickte sie zu Colin hinüber und stellte fest, dass auch er Todds Anwesenheit bemerkt hatte.
Belinda unterdrückte den Impuls, sofort aufzubrechen. Vermutlich war es unausweichlich, dass sie und Colin irgendwann auf Todd stoßen würden. So groß war London nun auch wieder nicht. Trotzdem, musste es gerade jetzt sein?
Todd kam zu ihr herüber. „Lady Wentworth – oder ist es richtiger, dich als Lady Granville anzureden?“
Sofort gesellte sich Colin zu ihnen und nickte Todd kurz zu. „Auf jeden Fall ist sie die Marchioness of Easterbridge.“
Belinda sah Colin an. Musste er sich unbedingt wie der Elefant im Porzellanladen aufführen? Schließlich wussten sie alle drei, dass sie immer noch Colins Frau war. Todd hatte eine berechtigte Frage gestellt, da sie ja ihren Mädchennamen behalten hatte und einer Reihe von Leuten das bekannt war.
Trotzdem, so ärgerlich sie auf Colin war, sie konnte nicht umhin, die beiden nebeneinanderstehenden Männer zu vergleichen. Gegen Colin fiel Todd irgendwie ab. Er war nicht ganz so breitschultrig, besaß nicht seine Ausstrahlung.
Aber natürlich waren die körperlichen Unterschiede nur die halbe Wahrheit. Todd war auf Drängen der Familie hin mit ihr vor den Altar getreten. Im Gegensatz dazu hatte Colin sie in Las Vegas aus dem Stegreif geheiratet, weil er sie begehrt und es ihn überhaupt nicht gekümmert hatte, wie seine Familie das finden mochte.
Todd wandte sich ihr zu. „Möchtest du tanzen?“
„Ihr nächster Tanz ist schon vergeben“, erklärte Colin, ehe sie etwas erwidern konnte.
Belinda wurde noch ärgerlicher. Ehe sie es sich versah, standen sich Colin und Todd Auge in Auge gegenüber.
Todd zog die Brauen hoch. „Dann eben ihr übernächster Tanz.“
„Der ist auch schon vergeben.“
„Belinda kann für sich selbst sprechen.“
„Nicht nötig, da ich ja bereits für sie geantwortet habe.“
Belinda ließ den Blick zwischen Colins finsterer Miene – er wirkte richtiggehend bedrohlich – und Todds vorgerecktem Kinn hin und her wandern. Die beiden sahen aus, als würden sie gleich handgreiflich werden. Schlimmer noch, sie erregten die Aufmerksamkeit der umstehenden Gäste.
„Erst sperren Sie sie in eine Ehe ein, und jetzt schließen Sie sie auch noch vor der Welt weg?“
„Wenn Sie sich umschauen, Dillingham, dann werden Sie feststellen, dass Belinda an einer gesellschaftlichen Veranstaltung teilnimmt.“ Colins Ton war eisig.
„Dann bin also ich es, gegen den Sie etwas haben?“
„Und was die Ehe betrifft“, fuhr Colin fort, ohne die Frage zu beantworten, „Belinda und ich haben spontan geheiratet, weil wir unmöglich die Finger voneinander lassen konnten.“
Belinda verschlug es den Atem.
Colins Bemerkung war eine kaum verhohlene Beleidigung, da er damit indirekt unterstellte, dass sie und Todd sehr wohl die Finger voneinander hatten lassen können.
Schnell trat sie zwischen die beiden Männer.
„Das ist einfach unglaublich. Hört sofort auf damit.“
Weil sie genug hatte, ließ sie die beiden einfach stehen und ging weg, bemüht,
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