Ehen in Philippsburg
fröhlicher Gäste hineinreichen, wo sie einer dem anderen weiterreichte; Hans hatte lediglich bei jedem neuen Händedruck seinen Namen zu flüstern und ein »Angenehm« anzuhängen, Anne besorgte die Namensnennung laut und deutlich; trotzdem kannte Hans nach Beendigung dieses Vorstellungszeremoniells keinen einzigen der Herumstehenden mit Namen. Er war viel zu sehr mit seiner immer feuchter werdenden Hand beschäftigt gewesen: es war nicht allein seine Schuld, da waren auch unter den Gästen, die seine Hand genommen hatten, ein paar Hände gewesen, die hatten seine Rechte noch rutschiger gemacht, so daß es allmählich eine Kunst geworden war, diese schlüpfrige schmale Hand in Empfang zu nehmen, zu drücken und weiterzugeben, ohne daß sie einem beim Druck wie ein Fisch entschlüpfte und hoch in die Luft sprang, gar einem der Umstehenden ins Gesicht. Gott sei Dank beschäftigten sich die Leute gleich mit Anne. Die Herren neigten ihre Köpfe schräg zu ihr, legten den Mund in ein leicht beizubehaltendes Lächeln und forderten an der Bar ein Glas für Anne. Hans sah es zu spät, zu spät bemerkte er, daß er das hätte tun müssen. Sollte er sich jetzt auch eins besorgen? Das wäre peinlich gewesen. Da rief aber Anne dem für dieses Fest verpflichteten Mixer zu, er möge eins für Hans (»für meinen Freund«, sagte sie) herüberreichen; die Köpfe der Gäste kreisten zu ihm hin, um auch ihm ihr Lächeln zu zeigen, weil Anne ihn ihren Freund genannt hatte. Hans nahm das Glas in Empfang, was aber sollte er mit der Frucht machen, die da im kristallenen Getränk schwamm? Sah aus wie eine Olive. Ob man sie aß? Er wollte zuerst beobachten, wie die anderen, geübteren Partybesucher mit dieser Olive fertig wurden. Einige ließen sie tatsächlich im Munde verschwinden, andere ließen sie auf dem Grunde des Glases zurück. Welche hatten es nun recht gemacht? Hans war überzeugt, daß sich entweder die einen oder die anderen eine Blöße gegeben hatten, denn es war unvorstellbar – soviel hatte er doch schon von städtischen Manieren gehört –, daß man diese Frucht behandeln konnte grade wie man wollte. Entweder war es schicklich, sie zu schlucken, oder es war lächerlich und unfein. Hans nippte von dem Getränk. Es schmeckte bitter. Das brachte ihn auf den Gedanken, das Glas mit der Frucht halbvoll auf eines der vielen Tischchen zu stellen und dort stehenzulassen, das war eine Lösung, die ganz sicher nicht gegen den Brauch verstieß. Inzwischen hatte sich der Klumpen, dem er vorgestellt worden war, mit Anne von der Bar wegbewegt, er trieb jetzt frei in die Halle hinein, wo da und dort kleinere Klümpchen standen, Gläser in der Hand und das Lächeln im Gesicht, das er schon von der Bar her kannte. Leichtfüßig huschten die Serviermädchen hin und her, spähten dabei sorgfältig in alle Gesichter, die sie passierten, ob nicht in dem oder jenem Blick ein Wunsch zu bemerken wäre, den sie mit ihren Tabletts erfüllen könnten. Die einen trugen vielerlei Gebäck, die anderen mehrere Arten von Getränken. Hans bemerkte, daß man nie lange auf einem Punkt stehenblieb, er sah auch, daß man sich in regelmäßigen Abständen umzuschauen hatte, ob man nicht jemandem den Rücken zeigte; das schien ein ganz unerträglicher Zustand zu sein, man hatte dann sofort so viele Schritte rückwärts zu tun, daß man an die Seite dessen kam, dem man gerade noch den Rücken zugewandt hatte. Aus diesen und ähnlichen Regeln ergab sich eine ruhig hin und her flutende Bewegung in der Halle, in die Hans aber trotz all seiner Bemühungen keinen rechten Einlaß fand. Er tat manchmal ein paar schnelle Schritte, blieb unvermittelt stehen, wich aus, sah sich um, heftete seine Blicke auf die überall aus großen Vasen strahlenden Blumen, wandte sich besonders den Bodenvasen zu, weil in ihnen die schönsten und größten Blumen standen, Blumen, wie er sie noch nie gesehen hatte, die er aber jetzt, sosehr er sie anstarrte, leider gar nicht sah; er mußte trachten, möglichst nahe an der Wand zu bleiben, an der Wand entlang zu gehen, weil er da am wenigsten in Berührung kam mit den vielen fremden Leuten, und dann hingen an den Wänden doch die Bilder von Frau Volkmann, die er anstarren konnte, als interessierten sie ihn ungeheuer. Anne war mit ihrem Klumpen weiter in die Halle hineingeschwommen. Wahrscheinlich hatte sie ihn vergessen. Wie lange sollte das bloß noch so weitergehen, dieses Hinundherpendeln mit flüsterndem Gerede, das dann und wann
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