Ehen in Philippsburg
Konservenfabrikant, nebenbei Rundfunkrat, und dann Harry Büsgen, tatsächlich, das war des große Chefredakteur, der kurzbeinig im Sessel lag, den Kopf weit nach hinten gelegt, die Augen geschlossen, mit seiner Brille spielend, während ten Bergen auf ihn einredete wie ein Diener, der seinen toten Herrn wieder lebendig machen will. Manchmal lächelte Büsgen. Manchmal hob er den Kopf, sah den Intendanten an, zog die Augenbrauchen hoch und ließ den Kopf wieder sinken. »Er benimmt sich unmöglich«, flüsterte Anne. »Und wer ist der junge Herr neben Büsgen?« fragte Hans. »Das ist Loni«, sagte Anne und lächelte. »Büsgen ist doch schwul und geht auf keine Party ohne einen seiner Jünglinge.«
»Ach«, sagte Hans und fühlte sich peinlich berührt, weil Anne »schwul« gesagt hatte. In diesem Wort war nach seinem Empfinden der Sachverhalt, den es bezeichnete, zu gut ausgedrückt, als daß eine Frau sich dieses Wortes noch bedienen könnte. Eine richtige Frau hätte – und das noch mit Zögern – statt dessen »homosexuell« gesagt. Aber dann dachte Hans an Marga und ärgerte und freute sich in einem. Büsgen hat also bestimmt nichts mit Marga gehabt, und damit wäre der Hauptgegner schon aus dem Weg geräumt. Hans beschloß, morgen im Weltschau-Hochhaus anzurufen. Er hatte jetzt doch schon einige Gläser getrunken. Er konnte sich vorstellen, daß er morgen den Mut haben würde, Marga anzurufen. Ja, hier Beumann. Wie geht’s. Nein ich komme jetzt nicht mehr ins Hochhaus. Ich habe einen anderen Job. Der Büsgen kann mich gern haben. Was der sich einbildet, mich warten zu lassen. Andere reißen sich um mich. Dieser schwule Knopf. Basta! Ein für alle Male. Der ist bei mir unten durch. Aber Sie, Fräulein Marga, Sie hätte ich gerne wieder einmal gesehen. Aber allein. Ohne Gaby. Ganz ohne Gaby. Überhaupt ohne andere Leute. Ich liebe Sie nämlich. Ja, lachen Sie doch nicht so… bitte…
»Soll ich dich dem Büsgen vorstellen«, fragte Anne. »Ich weiß nicht«, sagte Hans und hatte Angst. »Mir wäre es lieber, ich käme irgendwann im Lauf der Party in seine Nähe und es ergäbe sich von selbst.« Daß dieser berühmte Mann jetzt auch noch anders herum war, machte ihn für Hans noch geheimnisvoller. Er hätte ihn gerne sprechen hören. Aber einstweilen langweilte sich der Illustriertennapoleon noch demonstrativ unter den Reden des Intendanten. Daß dieser doch mindestens fünfzigjährige Herr sich nicht genierte, auf einen Menschen einzureden, der ihm einfach nicht zuhörte! Seine Frau saß aufrecht neben ihm, unterhielt sich zwar nach ihrer freien Seite hin, aber sie nahm doch mit verkniffenem Gesicht an dem Kampf ihres Gatten teil. Sie war so hager wie er, aber weil sie klein war und ihr spärliches Haar so kurz trug, daß es kaum die Ohren berührte, wirkte sie karg; ihren harten, dunklen, immerzu hin und her schießenden Augen sah man jedoch an, daß sie eine Kämpferin war an der Seite ihres Mannes, gewohnt, seine nie ruhenden Feldzüge zu begleiten, ihn abzuschirmen, ihm Waffen zu reichen und ihn zu neuen Aktionen anzustacheln. Trost allerdings, wenn es einmal galt, Niederlagen einzustecken, dürfte er von ihr kaum zu erwarten haben.
»Wahrscheinlich braucht er Büsgens Unterstützung für seine Wiederwahl«, sagte Anne, als sie sah, daß Hans immer noch den Chefredakteur beobachtete. »Ist die Industrie für ihn«, fragte Hans. »Nein«, sagte Anne, »er hat einen Kulturfimmel. Er überfüttert die Leute mit historischem Quatsch und so, macht den ganzen Tag Nachtprogramm, da kauft doch kein Mensch Apparate.«
»Er wird also nicht wiedergewählt«, sagte Hans. »Wenn ihn Büsgen auch noch fallen läßt, nicht«, sagte Anne. »Aber der ist doch gar nicht im Rundfunkrat.«
»Aber er hat Einfluß. Hinter ihm steht der Konzern.« Jetzt bedauerte Hans den Intendanten. Am liebsten wäre er zu Büsgen hingegangen und hätte ihm ins Gesicht geschrien: Helfen Sie doch dem armen Mann! »Wer wird dann Intendant«, fragte Hans.
»Vielleicht Knut Relow, der, der sich jetzt so freundlich mit der Frau Intendant unterhält. Er ist zur Zeit Programmdirektor. Ein ehemaliger Tanzkapellmeister.«
»Der mit dem zitronengelben Smoking?«
»Genau der.«
»Er hat schöne Zähne.«
»O ja. Und einen wunderbaren Sportwagen. Spezialkarosserie, Alemano Turin. Er ist bei den Mille Miglia schon dreimal unter den ersten Zehn seiner Klasse gewesen, einmal sogar Zweiter. Da kommt übrigens seine Exgeliebte.
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