Ehen in Philippsburg
Ich muß dich vorstellen.« Hans lernte also Alice Dumont kennen, eine fleischige Brünette, deren Hüften ihr allmählich unter die Schultern zu wachsen schienen; das Gesicht maskenhaft starr; es hatte wahrscheinlich viele Operationen über sich ergehen lassen müssen; die Augen, die ihn jetzt heftig anglänzten, taten ihm weh. Später erzählte ihm Anne, Alice Dumont sei süchtig. Alice brach über die bisher eher schweigsame Tischrunde wie ein Orkan herein, Hans schaute auf die Flüssigkeit in den Gläsern, weil er fürchtete, die müsse jetzt überschäumen unter diesem Anprall von Worten und Gelächter. Alice begann unaufgefordert sofort von einer Tournee zu erzählen, die sie gerade hinter sich gebracht hatte. Zehn Künstler, darunter zwei Sängerinnen, der Agent sei ein Esel: sie zusammen mit der Margit Brede zu verkaufen! Aber der hatte sie’s besorgt in diesen sechs Wochen. Alle Männer hatte sie ihr weggeschnappt, und wenn die sich muckste, hatte sie ihr auch noch ihre Gags weggenommen. Sie hatte sich nämlich ausbedungen, daß ihr Auftritt im Tourneeprogramm vor dem der Brede lag, dann machte sie einfach die Mätzchen, die man der Brede eingelernt hatte, schon in ihrem Auftritt, und der blieb nachher nichts anderes mehr übrig, als ihr Liedchen zu singen und ein paar hilflose Bewegungen zu machen. Das geschieht ihr ganz recht, überhaupt diese ganzen Nachwuchssängerinnen, Gänse, eine wie die andere, die hatten doch alle ihren Stil gestohlen, schließlich hatte sie, Alice Dumont, als erste auf amerikanisch gemacht, sie hatte als erste die Kehltöne entdeckt und die Zwischentöne und die über mehrere Töne akzentlos wegschleifende Stimme, und jetzt produzierten sich diese halbmusikalischen Singschicksen mit dem, was sie schon vor zehn Jahren gemacht hatte. Was Anne zu ihrer neuen Nase meine? Sie sei selbst nicht recht zufrieden. Aber jetzt könne sie nicht schon wieder daran herumsäbeln lassen. Ob Anne zum Filmball komme im Oktober. Übrigens könne die »programm-press« allmählich auch einmal eine Meldung über sie bringen. Über die Brede habe Anne sicher in jeder zweiten Nummer was drin. Und sie, Alice Dumont, verhandle schließlich auch mit amerikanischen Schallplattenfirmen. Wer denn nicht?! Und ein Angebot zu einer Nordafrika-Tournee von Dezember bis Februar liege auch vor. Hans und Anne müßten sie unbedingt in den nächsten Tagen besuchen. Sie habe schicke Bücher. Und eine Fondue Bourguignonne könne sie zubereiten, so was hätten die zwei noch nicht gegessen. Die Anwesenheit Alice Dumonts zog etliche Herrn in Hans’ und Annes Ecke. Dr. Alwin, den fetten jungen Rechtsanwalt, einen jungen Maler, den alle Claude nannten, und sogar den riesigen Konservenfabrikanten Frantzke. Alice trug wohl das kühnste Kleid dieser Party. Es spannte sich so eng um ihre pralle Figur, daß Hans befürchtete, es müsse jeden Augenblick platzen. Vielleicht erwarteten das die anderen Herrn und musterten sie deshalb so wohlgefällig. Ihre Brüste waren fast bis zur Hälfte sichtbar, und wäre der messerscharfe schwarze Schattenstrich, der bezeichnete, wo sie gegeneinandergedrängt wurden, nicht gewesen, so hätte man in diesem Fleischberg jede Orientierung verloren. Alice trank viel und hastig und forderte mit grellem Gelächter auch die anderen immer wieder zum Trinken auf.
Sie schien sich immerfort in einer ungeheuren, aber völlig ziellosen Eile zu befinden, und immerzu suchte sie Gefährten für ihre Hetzjagden, die ewig nur im Kreise herumführten. Bleiben Sie doch da, rief sie jedem zu, der weggehen wollte, nicht allein lassen, bitte, ich kann nicht allein in einem Zimmer sein, nie, höchstens zum Make up, aber schon zum Ankleiden brauche ich jemanden, der mir zuschaut, vom Entkleiden gar nicht zu reden, da brauche ich sogar Hilfe. Die Männer schmunzelten, insbesondere der fette junge Rechtsanwalt, am wenigsten Claude, der knabenhafte Maler, der ein altes Gesicht zur Schau trug.
Dann erzählte Alice von den Qualen ihrer letzten Schrotkur und vom Grafen von Greifen, der ihr einen Heiratsantrag gemacht habe. Aber so weit sei es noch nicht. Frantzke küßte ihr darauf die Hand und wollte sie nicht mehr loslassen, das aber gestattete Dr. Alwin nicht, zumindest möchte er dann die andere Hand, und schon hatte er sie und begann an ihrem Arm herumzugreifen (wie ein Bassist, der einen Lauf nach oben greift), und Alices Arm war unbekleidet hinauf bis zur Schulter. Claude sah mißbilligend zu. Alice sagte:
Weitere Kostenlose Bücher