Ehen in Philippsburg
entgegenfahren durfte. Wenn sie an einer Kreuzung auf das Grünlicht warten mußten, genoß er die Blicke der Fußgänger, die aus schräg nach vorne gestellten Gesichtern ins Auto hereinschauten. Fast weidete er sich an ihrer Hast, mit der sie unter dem Regen hinflohen, ohne ihm zu entgehen, er dachte daran, wie häßlich die Frauen sein würden, wenn sie feucht nach Hause kamen, in ihren Kleidern und in ihren Haaren den faden Regengeruch und die stärkere Ausdünstung der Stoffe und der von der Eile aufgewärmten Körper, denn nichts weckt die in Stoffen und Körpern und Straßen schlummernden Gerüche mehr als der Regen. Aber seine Frau saß warm und trocken neben ihm, ihr Haar war kunstvoll gelegt, zu einer glatten, goldglänzenden Haube, die das zarte Vogeloval ihres Kopfes nachformte; im Nacken lief es zu einem zweiten, kleineren, aber die Kopfform spielerisch wiederholenden Oval auf, zu einem kleinen Knoten, der absichtlich sehr tief gelegt war, um den Kopf aufrecht, nach oben gereckt erscheinen zu lassen und gleichzeitig ihrem etwas langen und fast ein wenig hageren Hals eine Art optischer Stütze zu geben, eine Ablenkung auch. Saß sie nicht neben ihm, als säße sie Tee trinkend in einem Salon! Und war das nicht ein fröhlichstimmendes Erlebnis, wenn man seine Frau so durch den recht unangenehmen spätwinterlichen Regen kutschieren konnte, während die sich draußen unter Regenschirmen drängen und in Mantelkragen hineinducken mußten, daß man die Männer kaum von den Frauen unterscheiden konnte! Wahrscheinlich bewunderten ihn jetzt alle Fußgänger weil er einen Smoking anhatte und eine Frau an seiner Seite, deren Kopf, deren schmales weißes Gesicht ihre vornehme Herkunft verrieten, deren Perlenschmuck – er schloß sich in drei dicht aneinander liegenden Kränzen eng um den schlanken Hals – Zeugnis seiner beginnenden Erfolge war, seines wohlaufgebauten Lebens, das geschützt war gegen Unrat, Katastrophen und Elend; so sehr geschützt, als Menschenkraft es vermag, dachte Alwin eifrig hinzu, denn er wollte nicht überheblich werden, er wollte sich nicht zu weit hinauf turnen in der Pyramide seines seligen Stolzes, nur so weit, als es erlaubt war; nur nicht den Neid oder den Unwillen irgendwelcher Mächte herausfordern, weiß der Teufel, vielleicht gab es sogar einen Gott, dann hatte es der bestimmt auch nicht gerade gern, wenn da drunten einer gar sosehr auf seiner Kraft bestand; das konnte den eventuellen Gott doch reizen, dem da drunten zu zeigen, wo die Kraft zu Hause ist, ja, es war schon besser, noch ein bißchen zurückzuhalten mit sich selbst, gab es Gott, dann war es sogar notwendig, gab es keinen, so schadete es auch nichts.
2
Mit übertriebener Sorgfalt reichte er Ilse seine Hand, es konnten ja aus den hell erleuchteten Räumen der Villa oder aus dem dunklen Portal Gäste, die früher eingetroffen waren, zuschauen, dann sollten sie sehen, wie er seine Frau behandelte, sogar dann, wenn er ihr an einem regnerischen Spätwinterabend aus dem Wagen half und anscheinend kein Mensch in der Nähe war; unter dem leichten Modeschirm führte er sie bis unters Vordach der Volkmannschen Villa, rannte zum Auto zurück, schloß es ab, prüfte nach, ob es auch richtig verschlossen sei, rannte wieder zur Villa, wo er sich jungenhaft prustend und lachend den Regen von Kopf und Schultern schüttelte, dann schritt er mit Ilse, aber so, daß er ihr um einen halben Schritt voraus war, quer durch die Halle und die weit ausgebogene Treppe hinauf zum ersten Stock. Den Schirm hatte er in der Halle gelassen, bei den Garderobenständern, die schon über und über beladen waren mit Pelzen, Shawls, Mänteln und Hüten. Ilse hatte ihre Pelzstola nicht abgelegt. Alwin war damit sehr einverstanden. Mäntel liebte er schon deshalb nicht, weil man sie überall an der Garderobe lassen mußte. Den Weg nach oben nahm er übrigens auffallend schnell und ohne jedes Zögern. Sollten Neulinge ihn beobachten, mußten sie schon an seiner Gangart – und Ilse verfiel instinktiv in die gleiche – erkennen, daß so nur ein Gast durchs Haus eilte, der sich genau auskennt, der genau weiß, wo die Gesellschaft sich heute einfindet, der also zum alten Bestand der Freunde dieses Hauses gehört. Die Türen aller Salons im ersten Stock standen offen. An der Balustrade, die die Halle in der Höhe des ersten Stockwerkes umlief, lehnten Gästegrüppchen. Durch die offenen Türen schoben sich Damen und Herren mit langsamen Bewegungen hinein und
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