Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
ein Streit mit ihr sein würde. Schließlich meinte er etwas ruhiger: »Vielleicht habt Ihr ja recht. Vielleicht hätt’ ich der nicht so eine ballern sollen.«
Sie nickte befriedigt. Es ging also doch!
»Aber wer soll mir das im richtigen Moment sagen?«, fuhr Wolfram fort. »Als Wachmann und Soldat lernt man das halt so. Meine Männer sind doch genauso. Ihr habt ’ne anständige Erziehung bekommen. Ihr kennt Euch aus. Das hab’ ich nie bekommen.«
Sie schaute ihn misstrauisch an. »Benehmt Ihr Euch gegenüber Eurer Frau auch so? Kann sie Euch das nicht zeigen?«
»Ich habe keine Frau, die mir das sagen kann.«
»Ihr seid nicht verheiratet?« Agnes war erstaunt und trat einen Schritt zurück. Damit hatte sie nicht gerechnet. Solch eine ansehnliche Erscheinung, noch dazu eine, die in der Stadt etwas darstellte, war noch nicht vergeben?
»Deswegen dachte ich, Ihr könntet mir das beibringen.«
Agnes lächelte. »Wie denn?«
»Das macht Ihr ja schon. Jetzt, wo wir zusammen den Mörder suchen. Und heute Abend sollten wir zusammen essen. Das hattet Ihr letztes Jahr leider ausgeschlagen. Ich will die Frauen besser verstehen, damit ich mehr Rücksicht nehmen kann. Helft mir doch.«
Agnes schaute ihn verblüfft an. Solch eine Bitte hatte sie diesem groben Kerl nicht zugetraut. Führte er sie hinters Licht? Oder war das ernst gemeint? War ihm bewusst, welche Blöße er sich damit gab? Wenn das seine Untergebenen nun gehört hatten? Damit wäre seine Autorität in Gefahr gewesen. Aber der Hauptmann machte ein so zerknirschtes Gesicht, dass sich ihre Zweifel schnell zerstreuten. Warum sollte sich ein Mensch nicht ändern können? Aus dem Christenverfolger Saulus war ja auch der Apostel Paulus geworden. In Agnes keimte eine interessante Vorstellung auf: Sie konnte trotz dieser Mission hier in Minden Lehrerin sein. Aber nicht bei Kindern und jungen Frauen, sondern bei einem Erwachsenen. Und diesmal ging es nicht um Sprachen und irgendwelche Bücher der großen Kirchenväter, sondern um Benehmen und Rücksichtnahme. Eine außerordentlich reizvolle Idee.
»Ich helfe Euch.« Ihre Stimme klang allerdings angespannt.
Wolfram verneigte sich grinsend. »Und was ist mit heute Abend?«
Sie stockte. »Ich denke, das muss ich mir noch ein wenig überlegen.«
»Na schön. Und mit welcher Lektion beginnen wir jetzt?«
Agnes lachte auf. »Jetzt sollten wir unsere Nasen besser wieder in den Fall stecken. Die Lektionen gibt es nebenbei.«
Das Lächeln des Hauptmanns wurde schmaler. »Und womit beginnen wir?«
»Ich denke, wir befragen jetzt erst die Magd bei Bodes. Wie hieß sie noch?«
»Petra«, sagte Wolfram knapp.
»Genau. Und dann sehen wir weiter. Auf geht’s!« Damit drehte sich Agnes rasch um und ging zügigen Schrittes zum Kontor des Händlers Bode. Den Hauptmann ließ sie einfach stehen. Der starrte ihr mit offenem Mund hinterher. Dann seufzte er und folgte ihr mürrisch. Was blieb ihm auch anderes übrig?
* * *
Voller Tatendrang betrat Agnes das Kontor und ging sofort auf Ulrich Rehkopf zu. Ohne lange Vorrede fragte sie: »Ist die Magd Petra im Hause?«
Der Kontorsgehilfe wollte gerade eine ungehaltene Antwort geben, weil die neugierige Fremde ihn bei der Arbeit störte. Dann erblickte er jedoch Wolfram von Lübbecke und besann sich schnell eines Besseren. Hastig winkte er den Lagerverwalter herbei. »Bernhardt, zeig den Leuten die Petra.« Damit wandte er sich wieder seinen Listen zu und schrieb eifrig weiter.
Bernhardt führte die beiden durch eine Tür in den hinteren Teil des Hauses. Der große Raum war eine Mischung aus Gesindestube und herrschaftlicher Küche. An der einen Seite stand ein langer Tisch mit ein paar einfachen Hockern und Holzbänken. Auf der anderen Seite hantierte eine junge Frau an zwei Feuerstellen. Die Luft war erfüllt vom beißenden Rauch der Holzfeuer und dem angenehmen Duft frischen Brotes und der Speisen, die zum Mittagsmahl gereicht werden sollten. Im Vergleich zu draußen, wo Kälte und Nieselregen quälten, war es hier gemütlich warm. Agnes nahm ihren Umhang ab und legte ihn sich über den Arm.
Die Magd reagierte erst, als der Lagerverwalter sie ansprach. Sie erschrak. »Was ist?«
Agnes stellte sich vor und erklärte, dass sie den Tod des Herren Bode untersuchte.
Petra wurde sehr ängstlich. Ihre Augen huschten verstört hin und her. »Ich weiß nichts davon. Ich muss mich mit dem Essen beeilen, sonst wird die Herrin ungeduldig.« Damit drehte sie sich wieder um und
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