Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
sie nicht gibt. Vielleicht sollten diese Leute sich mal die Augen untersuchen lassen. Oder besser noch, in den Ruhestand geschickt werden. Bevor noch ein Unschuldiger zu Schaden kommt und die wahren Schuldigen ungeschoren davonkommen.«
»Du kleiner Milchbart«, schrie Wolfram von Lübbecke. »Sei froh, dass du’n Wisch vom Rat hast! Sonst würde ich dich mal so richtig durchwalken! Pass bloß auf, dass wir uns nich mal im Dunkeln begegnen!«
Ludolf wandte sich Agnes zu: »Wie kannst du mit so einem Kerl überhaupt zusammenarbeiten?«
Die junge Frau hatte dem Streit bisher sprachlos zugehört. Sie konnte kaum glauben, dass sich die beiden schon wieder so schnell in die Haare kriegten. Musste Ludolf den Hauptmann immer so überheblich behandeln, als würde er mit einem kleinen Schuljungen reden? Unhöflich und ungehobelt war das. Kein Wunder, dass Wolfram dann die Beherrschung verlor.
»Kindskopf!«, zischte Agnes. »Der Hauptmann kennt sich bestens aus in Minden. Er ist eine große Hilfe für uns. Wir sind auf ihn angewiesen. Außerdem: Wie die Witwe sagte, Selbstmord passt nicht zu Bode. Wenn wir blind sein sollten, dann bist du aber taub.«
Ihre Augen sprühten Funken. Sie hatte ihre Arme angriffslustig in die Seiten gestützt. Sie war nicht bereit, sich die Ergebnisse ihrer Nachforschungen noch mal schlechtmachen zu lassen.
Ludolf schaute seine beiden Kontrahenten an und wusste, dass er hier nichts ausrichten konnte. Agnes war wieder mal verstockt und der Hauptmann zu dumm und zu beschränkt, um überhaupt seine Fehler erkennen zu können. Wütend drehte er sich um und stampfte davon.
»Ludolf!«, rief Agnes hinter ihm her
Aber er reagierte nicht. Aus Prinzip nicht.
»Ludolf, du sturer Bock! Bleib stehen!«
Er ging ungerührt weiter.
Ohne dieses blöde Kopftuch hätte sie sich jetzt die Haare gerauft. Wütend lief sie hinter ihm her und hielt ihn am Arm fest. »Was ist los?«
»Nichts«, presste er zornig hervor. Widerwillig schüttelte er ihre Hand ab.
Agnes aber ließ sich nicht so schnell abspeisen. »Ach was! Du bist stocksteif und bockig wie ein Esel!«
»Warum wohl?«
»Das fragst du mich?« Plötzlich ging ihr ein Licht auf. »Dir gefällt es nicht, dass ich mit Wolfram zusammen ermittle. Du hättest vorhin ja mitkommen können. Aber stattdessen bist du eifersüchtig.«
Ludolf lachte kurz auf. »Auf wen denn? Auf den da etwa?«
»Das ist wenigstens ein Mann. Der steht mit beiden Beinen im Leben und macht was her!«
»Klar. Aber gestern hast du noch geschworen, du würdest nur mich lieben.«
»Ich sagte dir aber auch, dass aus uns nie etwas werden kann. Ich bin an mein Gelübde gebunden.«
»Ach? Und bei dem da gilt das wohl nicht mehr? Ich habe genau gesehen, wie du ihn angehimmelt hast.«
»Ich bin bisher immer anständig geblieben. Du hast kein Recht, über mein Verhalten zu urteilen! Und wenn ich meine Liebe einem anderen schenken würde, ginge dich das nichts an!«
»Du bist also bereit, mit ihm … zu buhlen?«
»Ich … ich …« Nun fehlten ihr die Worte. Was erlaubte er sich eigentlich? Er benahm sich, als wäre er ihr Vater oder ihr Ehemann. Sie war doch nicht sein Besitz! Wenn er sie wirklich lieben würde, sollte er das Vertrauen haben, dass sie so etwas niemals tun würde. Sein ganzes Gerede von Liebe – nichts als leeres Geschwätz! Aber am meisten ärgerte es sie, dass sie wegen Ludolf die Beherrschung verloren hatte. Schon wieder hatte sie sich durch ihn in die Enge drängen lassen, hatte schon wieder ihre gute Erziehung vergessen. Wie früher, als sie noch Kinder gewesen waren. Plötzlich konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen. Die Tränen begannen ihr über die Wangen zu laufen. Wütend wischte sie sie mit dem Ärmel ab. Sie wollte sich vor ihm keine Blöße geben. Schnell drehte sie sich um und ging auf Wolfram zu. Sie versuchte sich zusammenzureißen. Schließlich hatte sie hier einen Auftrag zu erfüllen, und auf den musste sie sich jetzt konzentrieren.
Ludolf blickte enttäuscht hinter Agnes her. Schon wieder war es passiert, sie hatten sich schon wieder gestritten. War es jetzt aus zwischen ihnen? Im Grunde genommen hatte es ja nie richtig angefangen. Immer wieder hatte sie sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen. Immer dieses Gerede vom Gelübde und so. Und sie war nur nett zu ihm, wenn es ihr in den Kram passte.
Damit wandte sich Ludolf ebenfalls um und eilte an den Auslagen der Händler entlang in Richtung St. Marien.
Im Kontor
Ludolf schwirrte noch
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