Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Geld der Fuhrleute wurde gestohlen. Die Waren wurden zum Glück verschont.«
Ludolf ging auf und ab. So konnte er besser nachdenken. »Aber trotzdem: Ist das nicht eigenartig viel Unglück in letzter Zeit?«
»Ja, schon«, sagte der Kontorsgehilfe. »Aber zum Glück konnten wir allen Verpflichtungen nachkommen. Alle Kunden haben ihre Sachen bekommen.«
»Die Frage bleibt aber, zu welchem Preis? Gab es Schulden? Musste sich Bode Geld leihen?«
Ulrich Rehkopf kratzte sich wieder am Kinn. Nach einem Augenblick des Nachsinnens antwortete er zaghaft: »Ich weiß nicht. Darüber hat der Herr nie gesprochen. Aber gut möglich, dass die Kosten so hoch waren, dass sich die Geschäfte als Verlust erwiesen haben. Aber was tut man nich alles, um die Kunden zu halten. Aber von Schwierigkeiten habe ich nichts gehört.«
Ludolf musste wieder an das denken, was der junge Händler Schäfermann ins Gespräch gebracht hatte. »Könnte bei den Unglücksfällen nicht ein Feind von Bode nachgeholfen haben? Und weil das, wie Ihr sagtet, nicht fruchtete, wurde der Händler dann in den Tod getrieben?«
Der Gehilfe hob abwehrend die Hände. »Es gibt immer irgendwelche Neider, wenn man ein gutes Geschäft hat. Aber ich wüsste nicht, wer meinem Herrn so sehr den Tod wünschte.«
»Na gut.« Ludolf grübelte. Welche außer den üblichen Fragen sollte er noch stellen? »Was ist mit Liebschaften? Gibt es eine Geliebte?«
»Die Herrin …«, damit wurde die Stimme des Kontorsgehilfen leiser, er beugte sich leicht vor und beschirmte seinen Mund mit einer Hand. »Die Herrin ist ein Besen. Frömmelnd ohne Ende. Der Herr war eher mit einem Pfaffen verheiratet als mit einer Frau. Jeder normale Mann hätte es mit der bestimmt nicht lange ausgehalten. Oder sich nebenbei was anderes gesucht.«
»Gibt es nun Liebschaften?«
»Oh, nein!« Er richtete sich wieder auf. Seine Stimme gewann an Kraft. Entrüstet stellte er fest: »Ich habe nicht gesagt, dass er welche hatte.« Nach einem Augenblick ergänzte er: »Ich weiß jedenfalls von keiner.«
Ludolf überlegte krampfhaft. Was hatte ihm der Gehilfe eigentlich Neues gesagt? Nur, dass er Schäfermanns Schwarzmalerei wegen des Zustands von Bodes Geschäft nicht bestätigen konnte. Da war sich Rehkopf doch recht sicher. Es konnte natürlich auch sein, dass die Händler untereinander offener waren als zu ihren Untergebenen. Möglich auch, dass Bode Schäfermann ins Vertrauen gezogen hatte.
Eine Frage hatte Ludolf noch: »Wann habt Ihr den Händler Bode zum letzten Mal gesehen?«
»Als die Turmuhr sieben schlug. Da ging er wie jeden Abend noch nach nebenan in die Schänke
Widukind
. Er wollte sich mit Freunden treffen.«
»Und was tatet Ihr dann?«
»Ich ging nach Hause.«
»Das ist Euer gutes Recht. Tja, das war’s wohl, was ich wissen wollte.«
Ludolf verabschiedete sich und verließ das Kontor. Er war unzufrieden, dass er so gut wie nichts Neues erfahren hatte. Nichts Konkretes, nichts, woran er wirklich anknüpfen konnte, keinen Hinweis auf die Umstände des Todes von Bode. Und nun? Ihm blieb nur eines übrig: die Schänke
Widukind
. Vielleicht erfuhr er ja dort mehr.
Schmied Gieselmann
Wo wollt Ihr hin?«, rief Wolfram von Lübbecke, nachdem Agnes wutschnaubend an ihm vorbeigeeilt war.
Ludolf, dieser eifersüchtige Flegel, wagte es, ihr Unkeuschheit zu unterstellen! So eine Unverschämtheit war ihr noch nie untergekommen! Wenn ihr jetzt noch irgendein Mann in die Quere kam, würde sie auf der Stelle abreisen. Sollten die Männer doch alleine zurechtkommen!
Erneut fragte der Hauptmann, was sie vorhatte.
Agnes blieb abrupt stehen. »Zum Schmied gehen natürlich.«
»Zu welchem Schmied?«
»Mit dem Bode Ärger hatte.«
»Der wohnt in der anderen Richtung. Neben Bodes. Sonst hätte es nie Ärger gegeben. Oder?«
Agnes war wütend. Auf Ludolf und sich selbst. So konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Um sich ein wenig zu besänftigen, band sie das verhasste Kopftuch ab. Sie hatte das Gefühl, dass es sie am Denken hinderte – auch wenn das natürlich Unsinn war. Es galt nicht als schicklich, sich in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch zu zeigen. Sonst gingen nur junge, unverheiratete Frauen mit offenem Haar. Da Agnes die Zwanzig schon überschritten hatte, würde man sie nun eher für eine Dirne halten als für eine ehrbare Frau. Nun gut – nach Ludolfs Auffassung war sie das ja auch. Sie schüttelte ihr langes, schwarzes Haar und atmete tief durch. Langsam wurde sie ruhiger.
Sie
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