Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Bode verlaufen war. Alle bestätigten einhellig, dass er guter Dinge gewesen sei. Was passierte dann? Was hatte ihn aus der Bahn geworfen? Der Wein tat seine Wirkung. Ihm wurde wohlig warm, und seine Unruhe ließ langsam nach. Er schaute in die Runde und beobachtete bei seinen folgenden Worten seine Zuhörer genau. »Ich denke, dass an diesem besagten Abend den Händler etwas so sehr verletzt oder erschreckt hat, dass er nur den Ausweg sah, sich selbst umzubringen.«
Die beiden Meister waren erschreckt. »Kein Mord?«
Ludolf verneinte.
»Welch ein Elend! Ist nicht gut. Gar nicht gut.«
Die Herren Matthias und Wellmer waren zutiefst getroffen und nahmen einen tiefen Schluck aus ihren Krügen.
Nach einem Moment, in dem jeder seinen eigenen trüben Überlegungen nachhing, ergänzte Ludolf: »Wenn mir jetzt keiner helfen kann, weiß ich nicht mehr, wo ich weitersuchen soll.«
Die vier Männer saßen mit verzagten Gesichtern am Tisch und grübelten. Aber keinem kam ein gescheiter Gedanke. Was war an diesem Abend geschehen? Warum war Bode zuerst in bester Stimmung gewesen und später so verzweifelt, dass er sich das Leben genommen hatte – wenn es denn Selbstmord war?
»Heh! Ihr Herren!« Einer der Tagelöhner vom Nachbartisch hatte sich zu ihnen herübergelehnt. »Ich kann Euch helfen.«
Ludolf richtete sich alarmiert auf. »Was meint Ihr damit?« Die Weinseligkeit war verflogen.
»Ich habe Euren Freund noch gesehen, als Ihr schon weg wart.«
»Kanntet Ihr denn den Händler Bode?«
»’türlich! Hab schon paarmal geholfen, seine Schiffe und Wagen zu beladen oder abzuladen. Netter Kerl. Hab gern bei ihm gearbeitet. Da gab’s mittags immer was Vernünftiges zu futtern.«
»Und bis wann habt Ihr ihn gesehen?«
Der Mann kratzte sich am Kopf. »Wie lang, weiß ich nich. Aber ich hab gesehn, wie er mit ’nem Fremden was getrunken hat. Die beiden ham noch lange inner Ecke beim Feuer gesessen.« Mit dem Daumen zeigte er über die Schulter nach hinten.
»Und Ihr kanntet den anderen Mann nicht?«
»Nee, keine Ahnung. Aber er war schon inner Woche ein- oder zweimal hier. Dann am Montag und Dienstag. Der Bursche fiel mir auf, weil er nie mit anderen gequatscht hat. Nur da am Abend mit dem Bode. Da hat’r.«
Mehlmann fuhr dem Tagelöhner verärgert dazwischen. »Mach dich nicht so wichtig. Du sollst hier keine Herrschaften belästigen. Du bist doch schon betrunken!« Und zu den anderen sagte er: »Alles Quatsch. Hört nicht auf den!«
Der Tagelöhner war wütend aufgesprungen. »Heh, Melle! Was heißt hier Quatsch! Du hast den doch auch gesehn!«
Der Angesprochene hob abwehrend seine nackten, wabbelnden Arme. »Ach, hör doch auf!«
»Heh! Was hab ich dir getan, dass du mich so anpampst? Du hast doch selbst erzählt, der würde in dem kleinen Zimmer unterm Dach übernachten. Los, sag’s schon den Leuten!«
»Lass gut sein! Geh nu’ lieber zu deiner Frau und deinen Kindern.«
Jetzt mischte sich Ludolf ein. »Wirt, stimmt das, was der Mann sagt?«
Mehlmann zog ein gequältes Gesicht. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen. Schaute erst auf den Tagelöhner, dann auf Ludolf. Ärgerlich antwortete er: »Ihr macht mich ganz irre! Weiß ich doch nicht mehr! Bei mir übernachten so viele. Und so viele trinken hier ihr Bier. Wie oft soll ich Euch noch sagen: Die kann ich mir nich alle merken. Möglich, dass so ein ähnlicher Kerl hier gewohnt hat. Am Mittwochmorgen war er aber wieder verschwunden und ich weiß nicht wohin. Also fragt mich nicht! Seitdem hab ich ihn auch nicht mehr gesehen. So, jetzt reicht’s! Außerdem muss ich erst mal was loswerden.«
Damit stand er rasch auf und schob seine massige Gestalt so schnell es ihm möglich war durch den Raum, bis er durch eine hintere Tür verschwand.
Ludolf wandte sich wieder an den Tagelöhner. »Habt Ihr sonst noch etwas gesehen?«
»Nur, dass der Händler plötzlich laut wurde.«
»Gab es Streit?«
»Sah nich so aus. Eher, als wenn ihm siedend heiß was eingefallen wäre. Denn der andere blieb ganz ruhig sitzen. Als wär nix.«
»Und dann?« Ludolf war sehr aufgeregt.
»Lief der Bode schnell hinaus und der Fremde verschwand ’n Moment später auch. Das war’s.«
»Habt Ihr von dem Gespräch etwas gehört? Über was sie sprachen, zum Beispiel?«
»Nö. Die saßen da allein inner Ecke.«
»Mist!«, einer der Meister schlug wütend auf den Tisch. Zu wissen, was an dem Abend dort besprochen worden war, hätte ihnen weiterhelfen können. Dann
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