Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
hätten sie vielleicht gewusst, was Bode so verschreckt hatte.
Ludolf bedankte sich bei den Tischnachbarn. »Ihr habt uns sehr geholfen. Gebt uns bitte Bescheid, wenn der Fremde wieder auftaucht.«
Der Tagelöhner nickte. »Mach ich doch gern.«
Einer der beiden Amtsmeister ergänzte: »Zum Dank übernehmen wir für heute Eure Zeche und die Eures Freundes.«
Der Eingeladene jubelte hocherfreut. »Ihr seid ein Prachtbursche! Ein echter Mann! So gefallt Ihr mir. Wir trinken auf Euer Wohl. Auf dass wir Euch noch öfter helfen könn’.«
Damit wandte er sich wieder seinem Kumpan zu. Die beiden begannen, ein Trinklied zu singen – oder besser gesagt: zu grölen.
Der Pharisäer
Dieser Heuchler!« Agnes konnte sich kaum beruhigen. Gabriel von Wiesen spielte sich als Moralapostel auf, betrog aber seine Frau nach Strich und Faden.
»Und uns dummfrech belogen hat er auch«, ergänzte der Hauptmann von Lübbecke bitter. »Den werde ich mir zur Brust nehmen. Der kann was erleben!«, schimpfte er und stürmte auch schon los.
»Wolfram, warte!« Agnes hielt ihn am Arm zurück. »Bitte ohne Gewalt. Wir wissen nur durch den Gesellen davon. Im Moment steht hier Aussage gegen Aussage. Wir müssen vorsichtig sein. Von Wiesen ist immerhin ein angesehener und einflussreicher Mann.«
Wolfram schüttelte ihre Hand mit einer ärgerlichen Bewegung ab. »Das weiß ich auch! Aber ich trau dem Kerl nicht. Der ist mir zu glatt, zu sehr von sich eingenommen.«
Demonstrativ verschränkte er seine Arme vor der Brust und streckte sein Kinn vor.
Agnes versuchte ihn zu beruhigen: »Das kann ja alles stimmen. Aber es ist noch kein Beweis.«
»Ja, ja. Schon gut. Du hast doch ständig was einzuwenden.«
»Sollte ich dir nicht zeigen, wie man mit Menschen umgeht?«
Grimmig stand er vor Agnes und schaute auf sie hinab. Nach kurzem Zögern bestimmte er: »Lass uns jetzt zu dem von Wiesen gehen« und marschierte schon los.
Sie lächelte zufrieden. Es ging also doch! Wolfram gab sich zu gern als hart und unbarmherzig aus und betonte überall seine Stärke. Eben deshalb mimte er jetzt den Beleidigten, aber dennoch: Er reagierte tatsächlich auf ihre Wünsche. Sehr gut! Beschwingten Schrittes folgte sie ihm.
Als die beiden um die Ecke in die Ritterstraße biegen wollten, stießen sie fast mit dem Meister von Wiesen zusammen. Alle schauten sich überrascht an.
»Was verheimlicht Ihr uns?«, begann der Hauptmann sofort. Sein Ton war rüde und scharf.
Der Zunftmeister trat einen Schritt rückwärts und blickte fassungslos den fast einen Kopf größeren Soldaten an. »Wie meint Ihr das?«
»Euer Geselle sagte uns soeben, dass Ihr an dem Abend gar nicht in der Werkstatt wart.«
Gabriel von Wiesen holte tief Luft. Er kämpfte um seine Beherrschung. »Was fällt Euch ein? Was wagt Ihr, mir zu unterstellen? Ich habe Euch gewarnt. Ich werde mich an den Rat wenden. Ich sorge ganz schnell dafür, dass Ihr zum Teufel geschickt werdet.«
»Bis es so weit ist, will ich wissen, wo Ihr an dem Abend wart, als Euer Schwager umgebracht wurde.«
Voller Zorn erwiderte er: »Das geht Euch nichts an.«
»Dann verhafte ich Euch jetzt gleich. Hier auf offener Straße, wo es jeder sehen kann. Eure Nachbarn gucken schon.«
Verlegen schaute sich der Zunftmeister um. Ein paar Frauen waren stehen geblieben und tuschelten miteinander. Ein Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite lehnte sich neugierig aus einem Fenster. Ein anderer tat so, als müsse er seine Jacke abstauben, und beobachtete die Szene aus den Augenwinkeln.
»Das wagt Ihr nicht!«, zischte von Wiesen.
Der Hauptmann grinste hämisch. »Oh, doch!«
Nervös fingerte der Meister an seinem Rock herum. Nachdem er noch einen Blick in die Runde geworfen hatte, antwortete er mit leicht zitternder Stimme: »Na gut. Ich will mal so gnädig sein. Was habt Ihr zu beanstanden?«
»Ihr sagtet uns, Ihr wärt am Todesabend allein in der Werkstatt gewesen. Euer Geselle behauptet genau das Gegenteil. Er wär’ allein dagewesen.«
Von Wiesen reckte sich. »Das kann ich mir gut vorstellen. Der Lump ist so faul, dass er noch nie bis in die Nacht gearbeitet hat. Ich war noch nach Gisbert in der Werkstatt. Bis irgendwann um Mitternacht. Denn das Tuch musste am anderen Morgen für den Ratsherrn Giseler fertig sein. Ich habe es selbst dem Ratsherrn überbracht. Fragt ihn doch! Er wird sicher bestätigen, dass ich bei ihm war. Dann erwarte ich auf jeden Fall eine Entschuldigung für Eure Unverschämtheit.«
»Das
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