Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
rufe«, wies Albert von Leteln die beiden Soldaten der Stadtwache an. Dann betrat er mit energischen Schritten das Kontor des verstorbenen Händlers Bode. Ludolf und Agnes folgten dicht hinter ihm.
»Ihr da!« Der Ratsherr zeigte auf Ulrich Rehkopf, der bei dem Zuruf ängstlich zusammenfuhr. »Führt uns zu der Witwe Bode. Wir haben dringende … äh … Dinge mit ihr zu besprechen.«
Der Kontorsgehilfe stammelte eine Begrüßung und verneigte sich mehrfach tief. Im Laufschritt eilte er auf eine Tür zu und hielt sie für den hohen Besuch auf.
»Bitte hier entlang, Euer Wohlgeboren.«
»Haltet die Klappe!«, fuhr ihn von Leteln an. »Bei mir könnt Ihr Euch nicht einschmeicheln. Trabt los!«
Eilig ging es die Treppe hinauf. Ulrich Rehkopf blieb schließlich vor einer Tür stehen und klopfte mehrfach, aber nichts rührte sich. Mit ängstlicher Stimme rief er nach seiner Herrin, jedoch vergeblich.
»Ist die Witwe denn im Hause?«, fragte der Ratsherr ungeduldig.
»Vorhin war sie noch unten und is’ dann wieder hier hochgegangen. Ich habe nicht bemerkt, dass sie wieder runtergekommen ist.«
»Macht Platz!«
Schon wurde der junge Mann zur Seite geschoben, und Albert von Leteln öffnete eigenhändig die Tür. Anna Bode saß aufrecht in ihrem Sessel, die Hände ordentlich im Schoß gefaltet. Brigitta stand neben ihr. Die beiden Frauen blickten mit versteinerter Miene auf die Eindringlinge. Offensichtlich hatten sie das Klopfen und die Rufe einfach ignoriert.
»Was erlaubt Ihr Euch?« Der Ton der Witwe war scharf und vorwurfsvoll.
Albert von Leteln begrüßte die Ehefrau seines verstorbenen Kollegen trotzdem sehr höflich und deutete eine Verbeugung an. Schnell kam er zum Grund ihres Besuchs: »Wir kommen noch einmal wegen des Todes Eures hochverehrten Gatten. Es haben sich ein paar … äh … Dinge ergeben, die schnellstens geklärt werden müssen.«
»Ich habe aber nichts mit Euch zu bereden. Falls der Rat etwas von mir wissen möchte, werde ich allein dem Bürgermeister Auskunft geben. Aber das habe ich schon mehrfach diesem respektlosen Jungvolk da gesagt.« Dabei deutete sie auf Agnes und Ludolf, die hinter dem Ratsherrn standen. »Diese Fremden haben kein Recht, ihre neugierigen Nasen in Sachen zu stecken, die sie nichts angehen.«
Der Ratsherr räusperte sich ärgerlich. »Wollt Ihr etwa meine … äh … Integrität anzweifeln?«
»Ich werde nur mit dem Bürgermeister von Bucken sprechen. Ihr dürft Euch jetzt wieder entfernen.«
Von Leteln konnte seinen Grimm nur schwer unterdrücken. »Verehrte Witwe Bode, Euer Ansinnen ist höchst … äh … befremdlich. Es war Euer Wunsch, dass der Stadtrat die Umstände des Todes unseres lieben Freundes untersucht. Ihr …«
Aber die Witwe fiel ihm einfach ins Wort. »Mir geht es nicht gut. Ich muss mich ausruhen. Bitte geht endlich!«
»Nein!«, donnerte der Ratsherr nun. Sein Gesicht leuchtete hochrot vor Empörung. »Ihr … äh … verlangtet, dass alles Menschenmögliche getan werde, um den Tod Eures Gatten zu klären. Ihr wolltet diese Untersuchung durch erfahrene Leute. Und … äh … ich bin genauso viel oder genauso wenig wert wie der Bürgermeister oder Euer verstorbener Mann. Also redet endlich, wenn … äh … die beiden Fragen stellen. Sonst werdet Ihr Euch verantworten müssen, weil Ihr einen Verbrecher beschützt.«
Die Witwe ließ sich nach hinten in ihren Sessel sinken. Sie schloss die Augen und legte einen Handrücken theatralisch auf ihre Stirn. Mit der anderen griff sie sich an ihr Herz. »Oh, Herr im Himmel, steh mir bei. Der Satan will mich vernichten«, stöhnte sie mit erstickter Stimme.
»Mutter, was ist mit Euch?« Brigitta beugte sich hinunter.
»Diese Menschen haben den Glauben verleugnet. Sie missachten das Leid von armen Witwen und Waisen. Sie kennen keine Nächstenliebe mehr. Oh! Welche Schande! Welches Unrecht!«
Plötzlich sanken ihre Hände schlaff in den Schoß, ihr Kopf rutschte zur Seite.
»Mutter, Mutter!« Brigitta strich Anna Bode über die Wange, nahm ihre Hand. Die Mutter rührte sich nicht.
»Was habt Ihr getan?«, schrie die Tochter den Ratsherrn an. »Wollt Ihr sie umbringen?«
Albert von Leteln zuckte zurück. Betreten schaute er sich um. »Äh … nein. Natürlich nicht«, antwortete er kleinlaut.
»Ihr solltet besser gehen, Ihr Unmenschen.« Sie begann zu weinen und nahm ihre Mutter in den Arm.
Doch jetzt hatte Agnes endgültig genug. Sie hatte die Szene bisher schweigend beobachtet und sich nur mit
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