Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Nur mein Johannes wohl nicht immer.«
Die weiteren Worte gingen im Schluchzen unter. Die Frau war nicht mehr in der Lage, weitere Fragen zu beantworten. Sie schüttelte voller Verzweiflung ihren Kopf und rief immer wieder den Namen ihres Bruders.
Albert von Leteln bestimmte: »Die Witwe Bode soll sich nun ausruhen.«
Sie wurde von der Tochter und der Magd hinausgeführt.
Befriedigt drehte sich der Ratsherr zu Ludolf und Agnes um und nickte ihnen zustimmend zu. »So. Nun … äh … knöpfen wir uns den Rehkopf vor. Hoffentlich ist der nicht inzwischen abgehauen.«
Er öffnete das Fester und lehnte sich hinaus. »Bringt uns den Gehilfen hoch!«, befahl er den Wachen, die noch vor dem Haus standen.
Ulrich Rehkopf
Kurze Zeit später stolperte der Kontorsgehilfe in den Raum. Er machte einen zutiefst verstörten Eindruck und blickte ängstlich um sich, traute sich aber nicht, jemanden direkt anzuschauen. Die beiden Soldaten der Stadtwache standen mit grimmigen Gesichtern hinter ihm in der Tür und versperrten jegliche Fluchtmöglichkeit.
»Was kann ich für Euer Ehren tun?« Seine Stimme zitterte.
Der Ratsherr hatte seine Hände auf den Rücken gelegt und begann mit dem Verhör: »Wir wissen inzwischen, dass Ihr den Wert des Geschäfts zu niedrig angesetzt habt. Äh … Wer hat Euch dazu angestiftet?«
Ulrich Rehkopf wurde noch blasser. Seine Hände zitterten. »Ni… Nicht angestiftet. Alles ist korrekt aufgeführt. Der Betrag ist vie… vielleicht etwas ungenau, aber das weiß die Herrin.«
»Ich bin auch Händler. Mir könnt Ihr nichts … äh … vorgaukeln. Auch der alte Thomsen glaubt Euren Zahlen nicht. Unser verehrter Bode hatte mit seinem ehemaligen Kontorsgehilfen nämlich noch öfter gesprochen.«
»Der? Haha, haha.« Das Lachen klang unnatürlich und übertrieben. »Thomsen ist ein alter, vertrottelter Kerl. Der war seit Jahren nicht mehr hier. Der hat doch keinen tiefen Einblick mehr. Außerdem hat er schon früher immer nur Ärger gemacht.«
Albert von Leteln richtete sich kerzengerade auf. Seine Stimme gewann an Schärfe und Lautstärke. »Wir sind sicher, dass der Händler Bode mit Absicht so erschreckt wurde, dass er … äh … in seiner Verzweiflung Selbstmord beging. Von Wiesen war hinter dem Geschäft seines Schwagers her. Er wird wegen Mordes und Betrugs angeklagt und verurteilt werden. Ihr … äh … werdet dann als Helfer ebenfalls hingerichtet.«
Der Kontorsgehilfe schüttelte den Kopf und wich Schritt für Schritt zurück. Aber die beiden Soldaten ergriffen vorsorglich seine Oberarme, sodass er nicht weiter konnte und erschrocken zusammenzuckte.
»Nein, nein. Ich hab nichts getan!«, rief er panisch und versuchte vergeblich, die eisernen Griffe der Wachen abzuschütteln. »Ich hab nichts mit ’nem Mord zu tun! Ich hab niemanden umgebracht! Niemandem geschadet. Lasst mich los!« Mit aller Kraft wand er sich hin und her, aber er konnte sich dem Griff der Stadtwache nicht entziehen.
Der Ratsherr klatschte vor Zorn in die Hände. »Ihr habt doch jemandem geschadet! Der Witwe!«
Der junge Mann antwortete nicht. Er hatte seine Gegenwehr aufgegeben und stand nun zusammengesunken im Raum. Wenn die Soldaten ihn nicht gehalten hätten, wäre er wohl auf dem Boden zusammengesackt.
Doch von Leteln ließ ihn nicht in Ruhe: »Was habt Ihr für den Betrug bekommen?«
»Ich habe nichts gefälscht, höchstens sehr vorsichtig geschätzt. Der Herr Bode war die Seele des Geschäfts. Seine Verbindungen machen einen Großteil des Wertes aus.«
»Und zu welchem Ergebnis werden wir kommen, wenn … äh … der Wert des Lagers geschätzt wird? Ich wette, es wird mehr sein als Eure siebenhundertfünfzig Gulden.«
»Wer sollte das können?«
»Eine Abordnung von Händlern natürlich. Solche, die der Rat dazu bestimmt.«
Rehkopf musste die Ausweglosigkeit seiner Situation erkannt haben. Er schlug seine Hände vors Gesicht und begann verzweifelt zu schluchzen.
»Junger Mann!«
Der Kontorsgehilfe schaute mit geröteten Augen zum Ratsherrn hoch.
»Ich frage Euch … äh … zum letzen Mal: Was habt Ihr dafür bekommen?«
»Nichts«, erklang es leise und mutlos.
»Weswegen habt Ihr es denn getan?«
»Der Herr von Wiesen hat mir versprochen, ich könnt’ die Stellung behalten. Dazu bekäme ich ein neues Haus und ’ne Prämie, wenn alles erledigt ist.«
»Und was ist jetzt, nachdem der … äh … Händler Schäfermann Brigitta heiraten will?«
Der junge Mann murmelte kraftlos vor sich hin.
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