Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
wie kam Schäfermann darauf?«
»Ich habe ohne Streben nach ungerechtem Gewinn siebenhundertfünfzig Gulden verlangt. Ich betrüge niemanden. Ich bin offen und ehrlich gewesen. Daraufhin hat sich der Händler Schäfermann das Lager vorgestern angesehen. Das war sein gutes Recht. Er hat dann von sich aus hundert Gulden mehr vorgeschlagen. Das fand ich sehr edelmütig und großzügig von ihm. Ein ehrenhafter Mann. Das wird einmal ein guter Bürgermeister.«
»Wie kamt Ihr auf den Betrag von siebenhundertfünfzig Gulden?«
Die Beherrschung der Witwe war sichtlich strapaziert, aber Anna Bode versuchte weiterhin, so belanglos wie möglich zu sprechen. »Ich hatte unseren Gehilfen Rehkopf in der letzten Woche aufgefordert, die Bücher genauestens zu prüfen. Er nannte mir daraufhin den Wert.«
»Siebenhundertfünfzig Gulden sind also für den Wert des Geschäfts angemessen?«
»Natürlich. Das versicherte mir Rehkopf.« Ihre Stimme wurde nun eine Spur gereizter.
»Und wenn es nicht korrekt war?«
Anna Bode blickte Ludolf erstaunt an und sprang dann erregt auf. »Das ist unmöglich! Wie könnt Ihr behaupten, dass etwas nicht stimmt?« Nervös knetete sie ihre Hände.
»Euer Lagerverwalter Bernhardt und auch Hans Thomsen schätzten dagegen eintausenddreihundert bis eintausendfünfhundert Gulden. Können sie sich so sehr irren?«
Die Witwe plumpste in ihren Sessel. Sie war plötzlich ganz blass geworden. Mit offenem Mund starrte sie in die Runde.
Ludolf nutzte die Gunst des Augenblicks und fuhr fort: »Angenommen, jemand war hinter dem Geschäft her. Als Euer Mann starb, sorgte dieser Jemand dafür, dass der Wert viel niedriger angesetzt wurde, damit er es unter Preis kaufen konnte. Vielleicht sorgte dieser Jemand auch dafür, dass sich Euer Mann umbrachte.«
Anna Bode schlug sich die Hände vors Gesicht und stöhnte laut auf. Diesmal war ihre Bestürzung nicht gespielt. Aber Brigitta blieb nach der Vorstellung ihrer Mutter misstrauisch. Erst als die Mutter fast vom Sessel rutschte, eilte sie herbei. Die Witwe begann lauthals zu jammern und zu klagen. Sie rief Gott und den Herrn Jesus um Hilfe an. Doch die Worte wurden immer mehr zu einem Keuchen und Röcheln.
Jetzt überwand sich auch Agnes, sich um die unter Schock stehende Frau zu kümmern. Sie öffnete den eng sitzenden Kragen des Kleides, damit ihr das Atmen leichter fiel. Kalter Schweiß lief der Witwe die Stirn herunter. Sie zitterte am ganzen Körper wie bei einem schweren Fieber.
Vom Lärm alarmiert stürzte die Magd Petra herein. »Was ist los?«
»Hol ihre Tropfen!«, rief die Tochter ihr entgegen.
Die Magd rannte los und kam Augenblicke später wieder. Sie tropfte eine Tinktur in einen Becher mit Wasser. Zu zweit flößten sie Anna Bode den Trank ein. Langsam beruhigte diese sich wieder. Ihr Atem kam nicht mehr stoßweise, das Schnaufen hörte auf. Ermattet und erschöpft sank sie in den Sessel. Mit gläsernem Blick starrte sie in die Runde.
»Dieses Schwein«, murmelte sie leise vor sich hin. »Dieses Schwein.«
Albert von Leteln beugte sich zu ihr. »Ist Euch etwas eingefallen?«
Sie nickte.
»Wer das Geschäft kaufen wollte?«
Wieder zustimmendes Nicken.
»War es … dieser … äh … Schäfermann?«
Die Witwe schüttelte den Kopf.
Der Ratsherr zuckte verblüfft zurück. »Wer denn sonst?«
»Mein Bruder. Mein eigener Bruder. Ein hinterhältiges Schwein.« Sie sprach sehr leise. Die Anwesenden mussten schon genau hinhören, um alles verstehen zu können. »Er hat meinen Mann schon immer beneidet. Wollte auch in den Rat. Zwei Tage nach Johannes’ Tod kam er und machte den Vorschlag. Er übernimmt das Geschäft für das, was in den Büchern steht. Ich bekomme ein eigenes kleines Haus. Er sucht eine gute Partie für Brigitta und übernimmt die Mitgift. Was übrig bleibt, bekomme ich.« Anna Bode liefen einige Tränen über die Wangen.
»Kannte Euer Bruder den Rehkopf?«
»Ein paar Tage, nachdem Johannes gefunden worden war, sprachen die beiden lange Zeit miteinander.«
»Traut Ihr Eurem Bruder … äh … einen Mord zu?«
Nun begann die Witwe zu weinen. Ihre Stimme versank fast in Tränen. »Er wird so leicht zornig. Aber einen Mord hab ich ihm nie zugetraut.«
»Sagte Euer Bruder etwas nach dem Tod Eures Mannes?«
Anna Bode konnte kaum noch sprechen. »Er sagte, dass es für mich ein Glück wäre, wenn der alte Lustmolch endlich fort sei. Der dauernde Streit zwischen den beiden. Gabriel nimmt es mit der Moral genauso ernst wie ich.
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