Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
beteuerte Ludolf. »Ich liebe dich wirklich.«
»Immer noch?«
Er nickte bloß.
»Aber ich bin nur eine Belastung für dich. Ich koste dich doch nur Nerven. Das haben wir doch gerade erst wieder erlebt. Du wirst ganz bestimmt unglücklich mit mir. Du solltest dir lieber eine Frau suchen, die keinen eigenen Kopf hat.« Tränen liefen ihr über die Wangen.
Energisch antwortete er: »Aber solch eine Frau will ich doch!«
Ihre Frage ging fast im Schluchzen unter. »Du magst wohl Schmerzen?«
»Bitte heirate mich.«
Agnes begann laut zu weinen. Sie eilte zu Ludolf, setzte sich auf seinen Schoß und schlang ihre Arme um seinen Hals. Sie brauchte jetzt dringend Halt. Sie drückte ihr Gesicht an seinen Hals und ließ ihre ganze Anspannung und Verzweiflung heraus. Ludolf spürte, wie ihre Tränen ihm den Hals herunterrannen. Mit der einen Hand strich er ihr zärtlich über den Rücken, mit der anderen hielt er ihren vom Schluchzen geschüttelten Kopf. Er sprach beruhigend auf sie ein, versicherte ihr seine Liebe.
Ganz langsam wurde Agnes ruhiger. Mit der Zeit atmete sie wieder gleichmäßiger. Schließlich blieben nur ein paar Schniefer übrig. Still saßen die beiden zusammen und hielten sich gegenseitig fest. Schließlich richtete sich Agnes auf. Sie wischte sich die letzten Tränen ab. Plötzlich kicherte sie. »Ich hab’ dir dein Hemd voll geheult. So kannst du nicht zum Bürgermeister.«
Ludolf lächelte auch wieder. »Ich sag ihm, du hättest das mit voller Absicht getan.«
»Miststück.«
»Angenehm. Ich heiße Ludolf.«
Scherzhaft schlug sie ihm mit der Faust auf die Schulter. Die beiden schauten einander tief in die Augen, als hätte es nie einen Streit zwischen ihnen gegeben.
Agnes durchbrach die Stille. »Ich weiß, wie furchtbar ich für dich sein muss. Manchmal möchte ich mit dir alt werden. Dann wieder bin ich froh, mein Leben allein bestimmen zu können, und weiß nicht, ob ich die Freiheit, die das Kloster mir bietet, aufgeben will. Ausprobieren geht ja nicht. Entweder das eine oder das andere.«
»Warum sitzt du dann hier?«
Agnes lächelte wieder. »Weil es mir gefällt.«
»Du könntest das für immer haben.«
»Ich werde darüber nachdenken.«
Ludolf drückte sie fest an sich. »Ich werde warten.«
Plötzlich lachte Agnes. Sie strich ihm durch das Haar. »Endlich kann ich dir mal richtig auf den Kopf gucken. Du wirst da ja schon kahl! Damit ist für mich klar: So einen alten Knacker heirate ich lieber nicht.«
Mit ernster Miene entgegnete er: »Du weißt doch, was in der Bibel steht?
Wer bis zum Ende ausgehaart haben wird, der wird gerettet werden
21 .«
Sie schaute ihn irritiert an. Irgendetwas war hier doch falsch. Er versuchte nicht zu grinsen, aber dieses Zucken um die Mundwinkel und die Fältchen an den Augen verrieten, dass er sie auf den Arm nehmen wollte.
Plötzlich lachte sie los. »Du blöder Hammel!
Ausgeharrt
heißt das, nicht
ausgehaart
. Typisch! So etwas Blödes kann auch nur dir einfallen.«
Ludolf nickte breit grinsend und kniff ihr dafür herzhaft in den Allerwertesten. Mit einem Aufschrei sprang Agnes auf.
»Was erlaubst du dir? Na warte, das zahle ich dir heim.«
Und schon begann das Toben. Sie jagten und kniffen sich gegenseitig, balgten wie kleine Kinder.
Bürgermeister und Ratsherren
Ah, da seid Ihr ja. Wir warten schon seit geraumer Zeit.« Der Bürgermeister Gerd von Bucken konnte seinen Unmut nicht verbergen. Er war es nicht gewohnt, versetzt zu werden.
Agnes und Ludolf entschuldigten sich außer Atem. Sie waren den Weg zum Rathaus gerannt. Die Rauferei und die Freude über ihre Versöhnung hatten sie die Zeit vergessen lassen. Nur wenn Ludolf versucht hatte sie zu küssen, war sie auf Abstand gegangen. Ihr war klar gewesen, wo das geendet hätte. Ein Kuss, und sie hätte seinen Antrag angenommen.
Die beiden jungen Leute schauten beschämt in die Runde. Der Ratsherr Albert von Leteln schüttelte tadelnd den Kopf. Daneben waren noch vier weitere Ratsherren anwesend, die im Hintergrund auf Stühlen saßen.
»Der Hauptmann von Lübbecke lässt sich entschuldigen«, begann der Bürgermeister. »Er hat sich gestern Abend eine schmerzhafte Verletzung zugezogen.«
Agnes begann leise zu kichern. Mit der Hand hielt sie sich den Mund zu, um nicht laut loszulachen. Sie biss sich auf die Lippen und schielte zu Ludolf hinüber. Der lächelte ebenfalls verschmitzt. Sie hatte ihm heute Morgen erzählt, wohin sie dem aufdringlichen Kerl ihr Knie gerammt
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