Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
befreite sich. Verwirrt schaute sie zu Boden. Neben den Ballen lag ein kleiner zerschlagener Holzkasten.
Sie zeigte dort hinunter. »Darüber muss ich wohl gestolpert sein.«
Um den Kasten herum lag etwas Gelblich-Rotes verstreut.
»Ist das beim Kampf mit von Wiesen zu Bruch gegangen?«
Der Händler beugte sich vor. »Nein, nein. Eine unserer Katzen muss in der Nacht das Behältnis mit dem Safran umgestoßen haben. Mein Fehler. Ich hätte ihn gestern Abend wieder in den Schrank mit den wertvollen Waren einschließen sollen. So ist das wertvolle Gewürz nun verstreut und unbrauchbar. Ein herber Verlust für mich. Besonders, da dies im Moment der einzige Safran in Minden war.«
Agnes ordnete ihr Kleid und ihre verrutschte Haube. »Mich interessiert aber noch, warum die Hiltrud Rehkopf Euch das erzählt hat?«
Schäfermann lächelte jovial. »Sie dachte wohl, ich würde mich aus Dankbarkeit für sie interessieren. Aber das sind nur die Hirngespinste eines verzogenen, unerfahrenen Mädchens. Sie mag ja eine nette Ablenkung sein – hübsch, aber nicht sehr helle. Niemand wird es wagen, sich solch eine als seine Ehefrau zu erwählen. Das wäre doch mehr als peinlich.«
Agnes nickte. Als Ehefrau eignete sich Hiltrud bestimmt nicht. Wenn man sich nur vorstellte, wie es in ihrem Haus aussah. Oder wenn man daran dachte, in welchen Betten sie sich schon überall aufgewärmt hatte.
Albert von Leteln drängte zum Aufbruch: »Damit ist der Fall ja nun klar. Werter Kollege, wir brauchen noch heute Eurer Zeugnis für das … äh … Protokoll.«
Schäfermann antwortete sofort: »Selbstverständlich. Vor Mittag werde ich auch noch zur Witwe Bode eilen und die Ungerechtigkeit klar stellen. Ich werde sie unverzüglich um Vergebung bitten müssen. Ich stehe aber selbstverständlich weiterhin zu meinem Eheversprechen. Ich wünsche allen einen schönen Tag.«
Der ältere Ratsherr verabschiedete sich ebenfalls und stieg die Treppe hinab. Agnes und Ludolf schauten sich fragend um. Für die jungen Leute gab es hier nichts mehr zu tun. Mit einem kurzen Nicken verständigten sie sich und gingen dann ebenfalls.
Im ersten Stock blieb Agnes plötzlich stehen und hielt Ludolf am Arm fest.
»Was ist los?«, fragte er überrascht.
Sie schaute kurz nach oben, der junge Händler folgte ihnen nicht, und auf der Treppe nach unten war auch niemand zu sehen.
»Das ist los.« Damit schlang sie ihre Arme um seinen Hals und zog sein Gesicht ganz nah heran. Jetzt war der richtige Zeitpunkt für einen Kuss gekommen. Denn hier, halb öffentlich, aber doch unbeobachtet, wagte es niemand, zu weit zu gehen. Eng umschlungen standen die beiden auf dem Treppenabsatz und vergaßen die Welt um sich herum.
Der Tote an der Schänke
Erst nach geraumer Zeit traten die jungen Leute aus dem Kontor des Händlers Schäfermann. Erstaunt blieben sie stehen.
Vor dem Haus hatte sich mittlerweile eine ansehnliche Menschenmenge versammelt. Der Bürgermeister Gerd von Bucken und einige Ratsherren standen da und sprachen miteinander. Eine Reihe von Leuten, einfache Arbeiter, Bauern von außerhalb, Handwerker, Mägde und viele mehr, bildeten einen bunten Haufen um die Stadtverordneten. Sie waren ganz begierig, zu erfahren, was sich im Haus des reichen Händlers abgespielt hatte. Man hatte die Wachen beobachtet, die zuerst Rehkopf und dann von Wiesen abgeführt hatten. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich nun die Nachricht vom Betrug des Amtsmeisters. Die Menge redete wild durcheinander, und wie üblich in solchen Situationen schossen die Spekulationen ins Kraut. Der leicht verletzte Händler Röttger Schäfermann rang inzwischen mit dem Tode und man hatte kaum noch Hoffnung für ihn. Und plötzlich wussten einige aus ganz sicherer Quelle zu berichten, dass Bode bestialisch verstümmelt worden war.
Der Bürgermeister erspähte seine beiden Helfer und wühlte sich durch die Menge zu ihnen.
»Wir vom Rat möchten Euch herzlichst für die gute Unterstützung danken. Ihr habt das Geheimnis gelüftet. Ihr habt den Verbrecher gefunden.«
Agnes machte einen artigen Knicks. »Danke. Wir brauchen aber doch noch den Helfer.«
»Den Namen wird von Wiesen schon gestehen. Da wir nun den Hauptschuldigen haben, wird der Rest eine Kleinigkeit sein.« Gerd von Bucken schaute sich um. Die Neugierigen drängten sich immer näher heran. »Wir sollten uns lieber im Rathaus unterhalten. Kommt mit hinüber!«
Er drehte sich um und zwängte sich wieder durch die Menschentraube. Agnes und
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