Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Ludolf folgten ihm so gut es ging.
Aber plötzlich rief jemand lautstark nach dem Bürgermeister. Alle Köpfe wandten sich augenblicklich zu dem Rufer herum. Ein Wachsoldat kam im Laufschritt heran.
»Euer Ehren! Euer Ehren! Herr Bürgermeister! Es ist dringend!«
Von Bucken empfing den Stadtbediensteten: »Wir sind doch schon unterwegs. Was ist denn noch?«
Der Soldat schaute sich unsicher um, und angesichts der vielen ungebetenen Zuhörer beugte er sich zum Ohr des Bürgermeisters vor. Die beiden tuschelten einen Moment lang leise miteinander. Die Zuschauer waren plötzlich ruhig geworden. Keiner wollte etwas verpassen, um nachher mit seinem Wissen in der Wirtstube oder unter Freunden prahlen zu können.
Nach der kleinen Unterredung eilte die Wache wieder von dannen und der Bürgermeister winkte Ludolf und Agnes herbei. Ebenfalls sehr leise und hinter vorgehaltener Hand berichtete er kurz, worum es ging. Ein unbekannter Toter war mit eingeschlagenem Schädel hinter der Schänke
Widukind
gefunden worden. Von Bucken bat die beiden mitzukommen, auch wenn ihr eigentlicher Auftrag schon erledigt war.
»Würdet Ihr das noch für uns erledigen?«, fragte der Bürgermeister.
Die beiden stimmten dem gerne zu. Und schon waren sie unterwegs zu der Schänke. Schnellen Schrittes ging es über den Marktplatz, am Rathaus vorbei, an den Auslagen der Fleischer und dann nach rechts in die Straße der Bäcker. Kaum zwanzig Schritte weiter waren sie am Ziel.
Rechts neben dem Wirtshaus war ein kleiner Gang zwischen den Häusern. Überraschenderweise stand der Hauptmann von Lübbecke dort und gab einem seiner Soldaten Anweisungen.
»Kann er denn schon wieder gehen?«, raunte Ludolf Agnes zu.
Sie kicherte und rempelte ihn mit dem Ellenbogen an. »Du bist gemein«, zischte sie zurück.
»Ich? Du hast ihm doch den Pferdekuss gegeben.«
Jetzt machte Wolfram ein paar Schritte in den Gang hinein. Er ging mit leicht gespreizten Beinen, als hätte er zu lange auf dem Pferd gesessen. Mit den Armen glich er bei jedem Schritt sein Gleichgewicht aus. Ludolf und Agnes prusteten los und mussten sich gegenseitig festhalten. Der Hauptmann hatte sie zum Glück noch nicht bemerkt.
Erst nach einem kleinen Moment hatten sie sich so weit beruhigt, dass sie sich wieder auf ihre Aufgabe konzentrieren konnten. Agnes wischte sich die Lachtränen ab und zupfte ihr Kopftuch zurecht. Ludolf räusperte sich mehrmals. Aber sie durften sich im Augenblick nicht ansehen, sonst würden sie sofort wieder losprusten.
Schließlich gingen sie zwischen den Häusern hindurch und kamen auf einen kleinen Hinterhof, der zur Schänke gehörte. Neben dem Hintereingang lagen ein paar Fässer kreuz und quer durcheinander. In der hinteren Hofecke befand sich eine steile Holztreppe, die zu einer Tür im ersten Stock führte. Der Hauptmann von Lübbecke und ein Wachsoldat standen auf der einen Seite des Hofes und redeten miteinander, während auf der anderen Seite der füllige Wirt Balthasar Melmann lässig an der Wand lehnte. Neben ihm wartete ein junger Bursche von vielleicht fünfzehn Jahren. Der Halbwüchsige hatte seine Arme verschränkt und machte einen verwirrten Eindruck. Er hatte seinen Kopf gesenkt, sodass sein blondes Haar die Augen verdeckte, und wippte nervös hin und her.
In der Mitte des Hofes lag ein Mann mit dem Rücken im Dreck. Der Kopf war zur Seite gedreht, genau in Richtung des Durchgangs zum Hof. Seine Kleidung sah sehr einfach aus, wie bei einem Bauern oder Tagelöhner. Nicht zu übersehen war seine blutverschmierte Stirn.
Wolfram sah die beiden Neuankömmlinge herankommen. Ohne einen Gruß wandte er sich mürrisch ihnen zu. »Da seid Ihr ja endlich! Der Bürgermeister hat Euch schon angekündigt. Ich weiß zwar nich, was das bringen soll, aber wenn’s der alte Herr so will … Da liegt er.« Er zeigte auf den toten Körper mitten im Hof.
»Was könnt Ihr uns sagen?«, fragte Ludolf. Er hockte sich neben die Leiche und schaute sie sich ganz genau an. Der Mann hatte ungefähr sein Alter. Der Gesichtsfarbe nach zu urteilen, arbeitete er draußen. Vielleicht ein Bauer, Maurer oder Zimmermann; jedenfalls niemand, der sich die meiste Zeit in einer Werkstatt aufhielt.
»Ich wette, das war’n Streit zwischen irgendwelchen Halunken. Der eine hat dem andern den Kopf eingeschlagen und ihn hier versteckt. Der Mörder is’ bestimmt schon längst auf und davon. Irgendwann wird der auch umgebracht. Also nichts Besonderes.«
Während Ludolf den Toten
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