Ehrenhüter
20 Uhr hat er mit sieben anderen Spielern trainiert. Danach sind sie noch in eine Kneipe gegangen. Zwei seiner Mitspieler bestätigten, dass sie sich gegen 22.30 Uhr wieder getrennt haben. Um kurz vor 23 Uhr war Roman wieder zu Hause.»
«Wer sagt das?», wollte Block wissen.
«Romans Mutter. Sie gab an, sich noch Schmerztabletten aus der Hausapotheke in der Küche geholt zu haben, als Roman gerade vom Sport zurückkam.»
«Hat Roman eigentlich einen Führerschein?», wollte Wessel wissen.
Steenhoff ahnte, worauf sein Kollege hinauswollte. Wer immer Nilgüns Leiche nach Farge geschafft hatte, musste ein Auto benutzt haben.
«Roman besitzt noch keinen Führerschein», erwiderte Steenhoff. «Aber ich nehme an, dass er schon fahren kann, denn er steht kurz vor der Prüfung.»
Sie verabredeten, die geplanten Ermittlungen in Berlin noch hinauszuschieben, bis sie Roman zu dem neuen Sachverhalt vernommen hatten.
Eifersucht war ein starkes Motiv. In vielen Fällen sogar das entscheidende Motiv, wie Steenhoff immer wieder feststellte. Es zog sich wie ein roter Faden durch die meisten Tötungsdelikte, die er in den vergangenen Jahren bearbeitet hatte. Aber es fiel ihm schwer, sich Roman als einen Mörder vorzustellen, der seiner Freundin im Streit das Genick brach und ihre Leiche ans andere Ende Bremens schaffte.
Nach der Besprechung ging Steenhoff zurück in sein Büro. Petersen folgte ihm in ein paar Metern Abstand. Er wollte sie gerade auf ihr Verhalten ansprechen, als sie auch schon mit dem Wasserkocher in der Hand wieder aus dem Zimmer verschwand. Im selben Moment klingelte das Telefon. Der Rechtsmediziner Bernd Brückner meldete sich bei ihm und berichtete, dass er an Nilgüns Leiche weitere Hämatome in den unteren Hautschichten entdeckt hatte.
Steenhoff legte gerade auf, als Navideh ins Zimmer kam und sich eine Kanne Tee aufgoss. Der Duft von Minze stieg Steenhoff in die Nase.
«Brückner hat weitere Hämatome an Nilgüns Körper entdeckt», verkündete er. Steenhoff hatte mit Erstaunen oder Nachfragen gerechnet, doch Navideh zog nur dieAugenbraue hoch. Dann widmete sie sich wieder ihrem Tee.
Verärgert fuhr Steenhoff sie an: «Navideh! Was ist los mit dir? Du wirkst völlig abwesend.»
«Oh. Das tut mir leid.» Sie schien verlegen.
«Mir auch. Denn ich brauche dich, deine Einwände und Ideen in den Besprechungen. Aber vorhin hast du nicht einen Ton gesagt. Also, wo drückt der Schuh?» Er beobachtete sie gespannt.
Navideh setzte ein unbekümmertes Gesicht auf und quälte sich ein Lächeln ab. Sie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Steenhoff sie schon unterbrach.
«Jetzt tu nicht so, als wenn alles in Ordnung wäre. Ich sitze lange genug in diesem winzigen Büro mit dir zusammen, um zu merken, dass dir irgendetwas über die Leber gelaufen ist. Was ist los?»
Er stand auf und ging zu ihr hin. Sein Blick hielt sie fest. Besorgt bemerkte er, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Peinlich berührt wollte sie sich umdrehen, doch Steenhoff hielt sie an den Schultern fest. «Du musst es mir ja nicht erzählen, aber verdammt, vielleicht kann ja selbst so ein unsensibler Haudegen wie ich mal hilfreich sein.» Er lächelte aufmunternd.
«Es ist …», setzte Navideh an, doch dann brach sie ab. «Es ist nichts.» Hilflos hob sie die Arme. «Ach, es ist wegen meines Nachbarn … Jorges. Er soll … also, er hat … Sie sind überzeugt, dass er …» Verzweifelt suchte sie nach den richtigen Worten.
Steenhoff ließ ihr Zeit.
Navideh atmete schwer aus. «Die Kollegen aus dem K 32 sagen, er hat versucht, eine Frau zu vergewaltigen. Im Frauen-Nacht-Taxi. Aber das ist unmöglich», stammelte sie.
«Warum?»
«Er ist nicht der Typ Mann, der so etwas tut.»
«Gibt es einen Typ, bei dem man so etwas grundsätzlich ausschließen kann?»
«Natürlich», sagte Navideh vehement. «Du zum Beispiel. Wenn mir jemand weismachen wollte, du hättest eine Frau sexuell bedrängt, wüsste ich, dass er lügt.»
«Danke für dein Vertrauen. Aber wir kennen uns seit Jahren und haben vieles zusammen erlebt. Wie gut kennst du den Mann, um den es geht?»
Auf Navidehs Gesicht legte sich eine leichte Rötung.
‹Sie ist verliebt›, durchfuhr es Steenhoff. Ein Anflug von Eifersucht machte sich in ihm breit. Navideh, seine schöne Kollegin, hatte sich, seit er sie kannte, nie für Männer interessiert. Nach der Trennung von ihrem Ehemann hatte sie sich vor einigen Jahren für eine Frau
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