Ehrensachen
Orleans wahrscheinlich in Bordelle ging. Man mußte die Adresse des Hauses wissen, und da wir sie nicht wüßten, könnten wir genausogut aufgeben. Wir würden nur Zeit vergeuden. George widersprach. Er meinte, wir müßten in den schäbigeren Bars suchen, die es nicht auf Mr. Trowbridges Liste geschafft hatten. Da würden die Nutten sein. Wieder gingen wir die Bourbon Street rauf und runter und prüften die Spelunken in den Seitenstraßen. Endlich stießen wir in einer Nebenstraße der Charters Street auf eine Bar namens Sonny Boy, die verlassen wirkte; nur am Tresen standen ein paar Männer, Automechaniker vielleicht, und an einem Ecktisch im Hintergrund saßen zwei Frauen mit großen Busen und leeren Gesichtern.
Hier sind wir richtig, sagte George.
Der Tisch neben dem der Frauen war leer. Als wir uns setzten, starrten sie uns ostentativ an und flüsterten miteinander. George starrte zurück und sagte Hi. Sie schienen nichts dagegen zu haben; sie kicherten sogar. Als der Kellner kam, bestellte George: Scotch und Soda für uns und für die Damen, was sie möchten. Auch dagegen hatten sie nichts einzuwenden, und was sie mochten, war Cola mit Rum. Als die Drinks gebracht wurden, setzten wir uns an den Tisch der beiden. Ich saß neben Jonelle, George neben Debbie. Sie waren Krankenschwestern in der Klinik der Tulane University und hatten zwei freie Tage vor der nächsten Schicht. Jonelle stammte aus Baton Rouge und Debbie aus Lake Charles. Sie kannten sich seit der Schwesternschule und waren Zimmergenossinnen.
Dürfen Jungen in euer Schwesternheim? fragte George.
Werd nicht frech, gab Debbie zurück.
George tischte ihnen zu meinem Erstaunen eine Lüge auf. Er erklärte, wir hätten gerade unser Examen am Harvard College hinter uns und arbeiteten jetzt in New York an der Wall Street. In New Orleans würden wir Kurzferien machen. Ein Freund habe uns seine Wohnung im French Quarter geliehen und gesagt, wir könnten Mädchen einladen – nette Mädchen wie sie.
»Ganz schön frech« wurde mehrmals wiederholt, und wir tranken noch eine Runde. Ich wußte, meine Grenze war überschritten, aber ich wollte nicht, daß George mich für einen Spielverderber hielt. Außerdem half der Whiskey mir, mit einer neuen Empfindung fertig zu werden. Jonelle hatte ihren rundlichen Arm auf meinen gelegt und sagte, hey, freut mich, dich kennenzulernen. Ich wollte ihr die Hand halten, als freundliche Geste, aber die Hand war nicht mehr da. Sie war vom Tisch in meinen Schoß geglitten, wo sie sich eifrig betätigte. Gleichzeitig raunte Jonelle mir pausenlos etwas ins Ohr, weshalb sie offenbar ihre Brust gegen meinen Arm pressen mußte. Ich beschränkte mich mit meinen Antworten auf neutrale Redewendungen: Recht hast du, na so was, da staune ich aber. In Wahrheit verstand ich fast nichts von dem, was sie sagte. George war mittlerweile mit der Schilderung unseres Apartments fertig und sagte, es sei langsam Zeit zum Gehen für uns vier.
Gehen, wohin denn? fragte Debbie.
In die Toulouse Street, in die Wohnung, erklärte George leicht pikiert.
Wir sollen bei euch in der Wohnung weitermachen? fragte Debbie. Bist du nicht ganz dicht oder was? Wir kennen euch doch gar nicht. Hast du das gehört, Jonelle?
Ja, hab ich, gab sie zurück. Sie nahm ihre Hand nicht weg, hielt sie aber still.
Kommt schon, sagte George. Kennenlernen werdet ihr uns schnell. Wir sind nett. Mädchen wie ihr gefallen uns.
Ach ja? Bloß weil ihr uns paar lausige Drinks spendiert habt? Ihr seid vielleicht miese Geizhälse. Wenigstens ein Dinner hätte drinsein müssen.
Moment mal, sagte George, hab dich doch nicht so. Zum Essen ist’s zu spät. Wir gehen morgen mit euch aus.
Ja, und was ist mit heute? Rückt ihr nicht mal ein Geschenk raus?
Doch, klar, sagte George.
Ich bin kaputt, unterbrach Jonelle plötzlich. Ich muß ins Bett, ich will nach Hause.
Ach komm, sagte George, schlafen kannst du bei uns.
Moment mal! Das möcht ich jetzt wissen. Wollt ihr Kerle ficken? fragte Jonelle und gab mir einen Puff. Ob die Geste heißen sollte, daß sie für oder gegen die Idee war, wußte ich nicht. Von was für einem Geschenk redest du da?
Wie wär’s mit fünfzig, wenn ihr die ganze Nacht bleibt? antwortete George.
Hey, sagte Debbie, hast du das gehört? Der Kerl denkt, wir sind billige Huren!
Dann sprang sie auf und schrie: Hab ich richtig gehört? Dieser Scheißkerl denkt, wir sind Huren! Joe, komm rüber und klär ihn auf.
Der Barmann kam lässig auf uns zu,
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