Ehrensachen
Beziehung zu seinem Dozenten für organische oder anorganische Chemie erwartete oder wünschte.
Am schmerzlichsten war die Veränderung in seiner Beziehung zu Margot. Seit sie zusammen bei Mabel Mercers Auftritt im Nachtclub gewesen waren, hatte Henry Margot küssen und ihre Brüste streicheln dürfen. Er erzählte mir, mehr habe er nicht versucht. Ich möchte, daß sie mir traut, sagte er, ich möchte nicht, daß sie sich bedrängt fühlt. Was ich jetzt mit ihr habe, ist besser als alles, was ich erwartethatte, und ich bin immer noch ihr bester Freund. Wenn das stimmte, was Bunny Rollins George über Margot erzählt und George mir auf der Heimfahrt von Stowe weitergegeben hatte, irrte sich Henry womöglich. Vielleicht hätte Margot sich mehr Kühnheit gewünscht. Aber ich entschied mich, ihm diesen Tip nicht zu geben. Seine Gefühle waren zu stark und das Risiko zu hoch, daß er mir Mangel an Achtung vor Margot vorwerfen würde. Ungefähr Anfang April erzählte mir Henry, daß er Margot nicht mehr anrühren dürfe; sie habe sich zu intensiv auf einen anderen Mann eingelassen. Dieser andere Mann war Etienne van Damme, ein belgischer Student an der Business School. Wie Henry behauptete, hatte sie ihm zu verstehen gegeben, daß sie eine richtige Affäre mit dem Belgier habe, vorwiegend in New York, wo van Damme jeweils in einem schicken Hotel abstieg; wenn einer von beiden zuviel arbeiten mußte und deshalb nicht mal schnell übers Wochenende nach New York konnte, trafen sie sich auf der anderen Flußseite im Studentenwohnheim der Business School oder im Ritz in Boston. Er sei nicht eifersüchtig, behauptete Henry; sie sei noch immer sein Langzeitprojekt, und eigentlich habe er gewußt, daß er erfolgreiche Rivalen haben würde. Er frage sich allerdings, was aus ihrer Freundschaft geworden sei. Sie wolle nur noch von ihrem Belgier sprechen.
Plötzlich brach die Examenszeit über uns herein. Unmittelbar anschließend wollte Henry zum französischen Sommersprachkurs nach Grenoble. Ganz nebenbei erwähnte er zu Archies und meinem Erstaunen, daß Margot den Sommer auf einem großen Besitz der Eltern van Damme in den Ardennen verbringen wollte und daß sie und Etienne ihn eingeladen hätten, dort eine Woche mit ihnen zusammenzusein. Archie plante seine Sommerferien aufzuteilen zwischen einer Kaffeeplantage in Brasilien im Staat São Paulo und Besuchen bei Rugbyfreunden auf deren Haziendas inArgentinien. George und ich hatten beschlossen, in den Westen zu fahren und dann auf dem Umweg über den Südwesten und Süden in die Berkshires zurückzukommen.
XII
Wir machten einen kurzen Abstecher nach Baja California und wären gern länger geblieben, aber die Zeit wurde knapp. Nach zwei Tagen – einen davon verbrachten wir am Strand – begannen wir die Rückreise; unsere Route führte durch Arizona und New Mexico nach Houston. Die nächste Station sollte New Orleans sein, wo ein gewisser Walter Trowbridge, ein Schulfreund von Georges Vater, an der Toulouse Street im French Quarter ein Apartment für seine Gäste eingerichtet hatte, meist Leute, die wie er im Ölgeschäft waren. May und Cousin Jack hatten auch darin gewohnt, und May beschrieb es als sündhaft luxuriös. Da das Apartment im August nicht gefragt war, hatte man es uns angeboten; wir konnten bleiben, solange wir wollten. Auf Drängen Mays meldeten wir uns für fünf Tage an; wir dachten, wir könnten von dort aus das French Quarter, den Garden District und Bayou Country erkunden. Auch das Mississippi-Delta lockte uns, falls eine Fahrt mit dem Schiff organisiert werden konnte. Als wir aus Houston abfuhren, hatten wir das Gefühl, wir müßten uns verwöhnen. Die Hitze war brutal gewesen, und seit wir nicht mehr im Freien schliefen, hatten wir in sehr bescheidenen Motels und zuletzt im CVJM von Houston übernachtet. George besaß einen üppigen Kreditbrief der Morgan Bank, und ich hatte mich dank Mr. Hibbles Überweisungen mit Reiseschecks eindecken können. Arm waren wir beide nicht. Wir hätten uns bessere Übernachtungsquartiere leisten können. Aber der Verhaltenskodex der Standishs schrieb vor, daß junge Männer auf Reisen sparsam zu sein hatten. Ich wollte wenigstens in dieser Hinsicht ein genauso guter Standish sein wie George, und er dachte gar nicht daran, gegen dieRegel zu verstoßen. Der Kodex erlaubte allerdings absichtlich extravagante Ausnahmen, wenn sie durch den Anlaß gerechtfertigt waren. Wir hatten Frances Parkinson Keyes’ Roman Dinner at
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